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Ein Baum redet den Menschen an

Passend zu bestimmten Anlässen, Jahrestagen oder Jahreszeiten stellen wir immer mal wieder auch ein Gedicht vor. Eine Quelle für besondere Funde – ein Fundus für den Literaturunterricht – ist das jeden Samstag in der FAZ erscheinende Gedicht und dessen Interpretation im Rahmen der »Frankfurter Anthologie«. Begründet 1974 vom legendären Marcel Reich-Ranicki ist die Sammlung von Gedichten und deren Interpretationen mittlerweile auf mehr als 40 Bände angewachsen – ein lyrisch-literarischer Schatz ohnegleichen. Hier und heute lassen wir einen Baum zu uns sprechen …


… in Andreas Tschernings Gedicht »Ein Baum redet den Menschen an«, erstmals erschienen 1642 im schlesischen Breslau, der Hauptstadt der deutschen Barockliteratur.

Was mir hat der Herbst genommen,
Kann ich wieder neu bekommen,
Wann des Frühlings Vater bläst:
Mensch, du kriegest auf Begehr
Deinen Geist nicht wieder her,
Wann er einmal dich verläßt.

Meine starke Wurzeln machen,
Daß ich mag der Winde lachen:
Du hingegen sinkest hin,
Wann nun etwan uber Feld
Sud nicht gleiches Wetter hält
Oder böse Dünste ziehn.

Bin ich einmal gut beklieben
Und für Schaden frei geblieben,
So besteh ich lange Frist:
Aber du wirst abgemeit
Oft in deiner Frühlingszeit,
Wann du kaum geboren bist.

Die schöne, einfühlsame, gedankenanregende Interpretation des Gedichts durch Frieder von Ammon, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, gibt es hier in der FAZ vom 9. November 2025. Dort auch der Link zur Gedichtlesung von Thomas Huber.

Neben vielen anderen ist das Gedicht zu finden in dem (für wenig Geld nur noch antiquarisch zu erwerbenden) Schuber mit zwei Bänden: Wir vergehn wie Rauch von starken Winden. Deutsche Gedichte des 17. Jahrhunderts. Herausgegeben von Eberhard Haufe. Verlag Rütten & Loening, Berlin 1985.

Und wenn Sie im »Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm« nachschlagen (ist mittlerweile auch digital möglich), dann werden Sie erfahren, was die Verben »bekleiben« und »abmeien« bedeuten. Hören Sie den Bäumen zu!

Fotos: Bernd Sahling/New York // FILMERNST/Görlitz

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