»Gib mehr Gas«, schreit Maik in höchster Euphorie. »Mach ich doch«, antwortet Tschick lapidar. Zwei Jungs aus Berlin-Marzahn, unterwegs in die Walachei. Ein Sehnsuchtsort, irgendwo im Nirgendwo. Tschick aber weiß, dass es die Walachei tatsächlich gibt und dort sein Großvater wohnt. Dieser Andrej Tschichatschow – unaussprechlicher Name, unausstehlicher Kerl – mag ein Kauz sein, doch in seiner Art wirklich der einzige, dem sich Maik Klingenberg verbunden fühlt. Absolut unterschiedlich, absolute Außenseiter. Brüder im Geiste vielleicht. Zwei Helden mit trockenem Witz und großen Gefühlen. Beste Voraussetzungen also, um im geklauten Lada-Niva – Richard Claydermans Edelschnulze »Pour Adeline« im Ohr – aufzubrechen in die weite Welt, ins große Sommer-Abenteuer. Das kann schon in der Niederlausitz in einem Weizenfeld, unter Windrädern, an einem Stausee oder in einem Krankenhaus enden. Zuvor aber haben sie auf einem Schrottplatz die verwildert-abgeranzte, geheimnisvolle Isa getroffen. Die weiß, wie man küsst, dass einem ganz anders wird. Bevor sie nach Prag entschwindet, verabreden sich die drei noch auf ein Wiedersehen: in 50 Jahren an genau dieser Stelle, das Versprechen in die Höhlenwand geritzt:
AT MK IS 2016. Wenn man jetzt noch drei Buchstaben ergänzen würde, meint Isa, dann käme die ATOMKRISE 2016 raus.
Zwei Helden mit trockenem Witz und großen Gefühlen.
Bilder von Sehnsucht und Schönheit – unendlich der Blick
in den Sternenhimmel.
Fotos: StudioCanal, Berlin
»Ist nun das Lebensgefühl des Romans getroffen? Das ist es – in der vollkommenen Gegenwärtigkeit der beiden Helden, auch in Maiks durch Akin gewitzt visualisierten Fantasien, etwa wenn sich der Junge einen Western-Shoot vorstellt, als sich der Vater mit der Geliebten davon macht. Diese Szene gibt es im Buch nicht; überhaupt betont Akin in seiner Verfilmung das Aktive, Hoffnungsvolle. Eine Schlüsselstelle im Roman ist jene, als Tschick und Maik in die Sterne gucken und begreifen, wie klein und endlich sie sind. Im Film ragen dabei Windräder in den Himmel.«
Anke Westphal, Berliner Zeitung
»Bleibt, wie eigentlich der ganze Film, perfekt dem weltöffnenden Geist der Vorlage treu – und vielfach übrigens auch dem Buchstaben. Wenn Fatih Akin etwas hinzufügt, dann sind es kluge Akzente und einen sehr guten Soundtrack, der den Horizont der beiden Ausreißer dann doch übersteigen würde, ohne dass das aber irgendwie aufdringlich wirkt.«
Bert Rebhandl, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Wo Herrndorf Episode auf Episode reiht, nimmt das Drehbuch von Lars Hubrich, Fatih Akin und Hark Bohm kluge Abkürzungen, lässt manche der teils märchenhaft-überhöhten oder skurrilen Begegnungen aus und verdichtet andere. Mit rund 90 Minuten ist der Film überraschend kurz ausgefallen, dafür aber auch kurzweilig und nicht redundant. Das Gefühl, dass zwei Jungen eine ganz besondere Reise hinter sich gebracht haben und zumindest Maik am Ende als anderer Mensch zurück in die Schule kommt, trifft Akin auf den Punkt. Und findet im Abspann noch eine schöne filmische Form, um in einer Animationssequenz eine Lücke zu schließen.«
Stefan Stiletto, film-dienst, Bonn
»Selbstverständlich nimmt das charmante Roadmovie gegenüber dem Buch Abkürzungen, lässt aber nichts von seinem Charme und den ›Sehenswürdigkeiten‹ aus, von den verschlafenen Landstraßen, den skurrilen Gestalten und der romantisch-abenteuerlichen Atmosphäre. Wenn von einem im Lada vorgefundenen Kassetten-Tape Richard Claydermans kitschige Klaviermusik ertönt, passt sie perfekt zum Ausbruch aus dem Mainstream.«
Tereza Fischer, Filmbulletin, Zürich
»Wenn es überhaupt einen programmatischen Unterschied zum Roman gibt, betrifft er am Schluss die Frage der Zukunftsträume. Herrndorf entlässt seine Leser mit dem Gefühl, dass für Maik und Tschick das Wünschen schon noch helfen wird. Akin ist da sogar eine Spur strenger. Auch das ist bemerkenswert an dieser schönen Adaption - dass man dem Kino hier nicht vorwerfen kann, am Ende doch nur wieder die windelweiche Wunschmaschine zu sein.«
Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung, München
»Der Sommer ihres Lebens – Fatih Akins Verfilmung des Kultromans ›Tschick‹ ist eine Ode an das Anderssein und strotzt nur so vor verschrobener Energie. Die beiden Hauptdarsteller stoßen sich mit ihren Performances die Tür zu einer großen Schauspielkarriere auf, wenn es ihnen und ihrem Regisseur gelingt, ein einzigartiges Lebensgefühl von der Leinwand in den Kinosaal zu transportieren.«
Antje Wessels, quotenmeter.de, Würzburg
»Wer weiß, wie es mit der Karriere von Tristan Göbel und Anand Batbileg weitergehen wird? Beide sind äußerst gelungene Besetzungen der Hauptfiguren. Maik wirkt weich und pubertätsleidend. Tschick schaut mit seinem kahlrasierten Schädel samt Inselhaartolle und seinem mal zum Kevin-Kuranyi-, mal zum Hitlerbart mutierten schwarzen Klebeband so aus, wie er souverän spielt: prollig präpotent und babyface-niedlich zugleich.«
Marc Reichwein, Die Welt, Berlin