»Wenn ich meine Augen öffne, sehe ich die Welt, wie sie ist. Verlogen und kalt.« Zach leistet sich einfach zu viele Gefühle, er grübelt und zweifelt, führt Tagebuch: Schwächen in einem Hochleistungscamp, wo es nur darum geht, zu den Stärksten zu gehören – im Kampf um den karrierefördernden Platz an einer privaten Elite-Uni. Hier wird – wissenschaftlich begleitet und betreut von einer Psychologin – die Spreu vom Weizen getrennt. Hier ist nicht tiefere Bildung, sondern höhere Führungskompetenz das Ziel. Hier werden in Partnerarbeit Egos geschliffen, geht es um maximale Einsatzbereitschaft, Durchsetzungskraft, Effizienz. Ein unter der Haut implantierter Chip sorgt für Ortung, Auswertung, Vergleichbarkeit. Das Versuchsgehege in freier Natur verliert Form und Fassung nach dem gewaltsamen Tod einer Aspirantin. Zach gesteht den Mord, obwohl er ihn unmöglich begangen haben kann. Ein bis dahin moralisch integrer Lehrer begibt sich auf Spurensuche. Er verstrickt sich dabei in Widersprüche und bricht zuletzt mit seinen eigenen Wertvorstellungen.
Multiperspektivisch erzählt, erweitert die Verfilmung ihre literarische Vorlage. Was bleibt, ist der bedrohliche Verlust von Würde und Werten – in einem Film, der die Augen öffnet!
Fotos: Constantin Film Verleih GmbH/die film gmbh/Marc Reimann
»Zielsicher stößt die Verfilmung ins Zentrum von Horváths Roman vor, der weiterhin als Schullektüre empfohlen wird. Sie beginnt gleich mit dem Geschehen im Lager, schildert danach die Gerichtsverhandlung und die Ermittlung des wahren Täters. Reizvoll ist ihre Aktualisierung deshalb, weil sie den zeitgenössischen Hang, sich mit der Belegschaft auf einem Firmenausflug im Klettergarten zu beweisen und sportliche Höchstleistungen wie körperlich errungene Härte automatisch als Ausweis von Intelligenz, Führungsstärke und Teamtauglichkeit zu halten, einer geistfeindlichen historischen Tradition zuordnet.«
Heidi Strobel, film-dienst, Bonn
»Dabei bedient sich das Drehbuch raffinierter Tricks: Öfter springt der Film einige Szenen zurück, um das soeben Gesehene aus einem anderen Blickwinkel noch einmal zu schildern. Auch das Spiel der jugendlichen Darsteller ist durchweg überzeugend. Zwar kann die Ausstattung nicht mit dem Pomp von US-Großproduktionen wie ›Tribute von Panem‹ mithalten, aber das Szenario künftiger Zustände wird sehr glaubwürdig entworfen. Dass Regisseur Gsponer keine neue Geschichte erzählt, kann man ihm kaum vorwerfen: Leistungsfetischismus, Sozialdarwinismus und gesellschaftliche Spaltung sind heute ebenso aktuelle Probleme wie 1937.«
Lydia Starkulla, kunst+film, Kassel
»Dass sich der Regisseur nicht allein wie in der literarischen Vorlage auf die Innenschau des Lehrers stützt, sondern die Perspektiven erweitert, tut der Adaption gut […] Stehen im Roman primär der Wertekonflikt und die Zerrissenheit des Pädagogen im Mittelpunkt, orientiert sich der Film eher an der Gruppendynamik sowie der Konturierung von individuellen Figuren. Von Horváth gab den Heranwachsenden bewusst keine Namen und wählte stattdessen Buchstaben wie ›N‹ oder ›Z‹. Dadurch sollte der Eindruck einer anonymen Masse verstärkt werden. Gsponers Entscheidung für die Benennung seiner Charaktere schafft hingegen Identifikationsmöglichkeiten, wodurch das beängstigende Zukunftsszenario für uns zur Naherfahrung wird.«
Björn Hayer, Neue Zürcher Zeitung
»Überwiegt in Horváths Roman das Politische, so steht im Film eher die Leistungsgesellschaft im Vordergrund. Dennoch gibt es auch sozialkritische Untertöne durch die permanente Überwachung und die Gleichschaltung der Meinungen.«
José García, textezumfilm.de, Berlin
»Drin und oben lebt es sich sauber und komfortabel, die Busse karren einem günstige, willige Putzkräfte aus unguten Gegenden heran, doch die Angst vor dem Abstieg ist stets präsent. Ständig werden welche nach unten durchgereicht, die aus irgendeinem Grund nicht genügen, solche wie Wadim eben. Schicksale wie das seine stehen jedem vor Augen, deshalb ist es besser, mitzumachen und mitzumarschieren. Deshalb setzt man sich freiwillig einem Assessment-Center aus, das in der Romanvorlage noch ein paramilitärisches Jugendcamp war. Das eine formt Soldaten, das andere formt Arbeitsdrohnen für das gehobene Management.« Andrea Diener, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Erst im letzten Filmdrittel erhält ›Jugend ohne Gott‹ neben der schon erwähnten äußeren Spannung auch einen fühlbaren emotionalen Puls. Das liegt vor allem daran, dass dort mit dem Lehrer und dem von Jannik Schümann grandios hintergründig gespielten rücksichtslosen Titus die beiden am überzeugendsten ausgestalteten Figuren in den Fokus rücken. Fahri Yardim … bringt einen zunächst unterdrückten Humanismus in den Film, der schließlich in die ausgedehnte Umarmung des vermeintlich Bösen mündet: Diese nachdrücklich in Szene gesetzte menschliche Geste in einer unmenschlichen Welt ist das schlagende Herz von ›Jugend ohne Gott‹ und in ihr ist endlich (wenn auch ein wenig spät) die von Horváth stets beschworene Wahrheit zu spüren.«
Andreas Staben, filmstarts.de, Berlin