»Da ist nichts, wofür der Gott der Biomechaniker dich in den Himmel lassen würde«, konstatiert der Replikant Roy, nachdem er seinen Schöpfer Tyrell vergebens um mehr Leben gebeten hatte. Die Replikanten der Generation Nexus 6 – menschlicher als der Mensch – leiden unter dem »Methusalem-Syndrom«, beschleunigter Alterung. Im November 2019 ist ihr Verfallsdatum sehr nahe. Geschaffen wurden sie einst von der Tyrell Corporation, um extraterrestrisch Sklavenarbeit zu verrichten: »Profit ist das, was unser Handeln bestimmt.« Eine Rückkehr zur Erde war nicht vorgesehen, doch nach einem Aufstand der künstlich-physischen Wesen sind sechs von ihnen wieder in L.A. Als ehemals bester »Blade Runner« der Polizei soll sie Rick Deckard zur Strecke bringen. Seine Ermittlungen führen ihn auch in die Tyrell-Trutzburg, wo er auf Rachel trifft – eine Replikantin, die offenbar über Erinnerungen und Gefühle verfügt. Was wäre, wenn – und was sagt ihm und uns das Einhorn-Origami?
Ein Filmklassiker von 1982, hier im Final Cut von 2007. Fantastisch!
Fotos: Warner Bros. Pictures Germany, Hamburg
»Wenn die Sinneseindrücke nicht bloße einige Stunden oder Tage überdauern, sondern Monate oder gar Jahre, dann spricht man gemeinhin von einem Klassiker. Auf wenige Filme trifft diese Bezeichnung so zu wie auf ›Blade Runner‹, einen der wohl drei wichtigsten SF-Streifen aller Zeiten. Wie wenig aber wirklich von der Magie von Ridley Scotts Adaption des Philip-K.-Dick-Werks ›Do Robots Dream Of Electric Sheep?‹ verlorengegangen ist, beweist der zum 25. Jubiläum nun endlich veröffentlichte "Final Cut" des Films, der nicht nur den ominösen ›Director's Cut‹ von 1992 alt aussehen läßt, sondern eben auch so ziemlich alles, was einem dieser Tage so als Science Fiction serviert wird. Während man dann so im Saal sitzt, versunken in die zeitlos genialen Dekors, die Kamerafahrten durch das von vielen guten Geistern verlassene Los Angeles des Jahres 2019 (!) und den immer noch bombastischen Score von Vangelis, wird einem wieder einmal schmerzlich bewußt, daß es Filme gibt, die man sich schlichtweg nur im Kino ansehen kann, wenn man ihre ganze Strahlkraft erleben und verstehen möchte.«
Christoph Prenner, evolver – Die Netzzeitschrift (2007), Wien
»Ridley Scotts ›Blade Runner‹ hat – insbesondere im Final Cut – auch 35 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung kaum etwas an Reiz und vor allem Aktualität eingebüßt, denn auch wenn manches nicht mehr zu heutigen Sehgewohnheiten passen mag, ist der audiovisuelle Stil doch von einer prägenden Einzigartigkeit, derweil fernab der eigentlichen Handlung die Themen, Motive und Denkansätze so vielschichtig und reichhaltig geraten sind, dass man Tage damit verbringen könnte, auch nur eine Szene des Films sorgfältig zu sezieren, der aber ungeachtet dieser Vorzüge eben auch wahnsinnig spannend und ungemein atmosphärisch inszeniert worden ist.«
Wulf Bengsch, medienjournal-blog,de, Essen
»Der Director’s Cut kommt immerhin schon ohne das Voice-over aus und hat ein etwas anderes, offeneres, pessimistischeres Ende, das Deckard als Replikanten andeutet. Der Director’s Cut war aber immer noch nicht Scotts präferierte Fassung, sondern kam ihr lediglich näher als die Kinoversion. Die dynamischste und ausgegorenste Fassung ist der Final Cut, der die Gewichtung der Geschichte nochmals leicht verändert hat und von Ridley Scott als seine Vision empfohlen wird. Heute ist der Final Cut die gängige Fassung des Films, er wird im Fernsehen ausgestrahlt und ist auf den meisten DVD-/Blu-ray-Fassungen enthalten.«
Simon Kyprianou, Die Nacht der lebenden Texte, Hamburg
Zu ›Blade Runner‹ ließe sich viel schreiben, interpretieren, erfühlen. Manche meinen, der Film manipuliere ausschließlich durch seine visuelle Kraft, enthalte aber nicht viel darüber hinaus. Also ein typisches Beispiel für die Macht der Bilder, die Blendung? Auch! Doch die Dekonstruktion dieser Bilder enthüllt meines Erachtens zentrale Momente im Hinblick auf die Frage – nicht die Antwort – was Menschsein ausmacht […] ›Blade Runner‹ hat den ›Vorteil‹ – wie wenige andere Filme im Meer der (Kino-)Bilder –, bei jeder Sicht neue Entdeckungen offenbaren zu können. Das hängt von jedem und jeder einzelnen selbst ab.« Ulrich Behrens, filmstarts.de, Berlin
»Es ist dieses erschrockene ›Was wäre wenn …‹, dieser Moment des Innehaltens, der auch dem Zuschauer einen letzten Anstoß gibt. Im Augenblick als Deckard das Einhorn-Origami sieht, erinnert er sich an Gaffs Worte ›Zu schade, dass sie nicht leben wird. Aber dann, wer wird es tun?‹. Und dann nickt er in Gedanken zustimmend. In dieser kurzen Szene wird gleichsam nochmals der ganze Film fokussiert: Die Frage, was den Menschen zum Menschen macht, was wenn nicht unsere intimsten Erinnerungen und Träume unsere Persönlichkeit und damit unser Menschsein ausmachen sollte, was Leben überhaupt bedeutet. Es ist das kurze Erschrecken Deckards darüber, ob vielleicht seine Erinnerungen gar nicht echt sind und davon ausgehend das Gedankenspiel des Zuschauers, was denn wäre, wenn seine eigenen Erinnerungen gar nicht wirklich erlebt wären.« Siegfried König, filmzentrale.com, Göttingen
»Wie viele zu ihrer Zeit verkannte Filme wurde ›Blade Runner‹ durch Kritiker, Akademiker und Fans gerettet. Indem sich Ridley Scotts Bilder immer mehr als prophetisch und stilbildend erwiesen und die Story die Möglichkeit intelligenter Science Fiction hervorhob, wurde ›Blade Runner‹ quasi nachträglich unisono zu dem Meisterwerk deklariert, das der Film ohne Frage und bei allen Schwächen ist. Anfang der 90er befand man es dann an der Zeit, dem Publikum den ›echten‹' ›Blade Runner‹ zu präsentieren. Das Phänomen ›Director's Cut‹ hatte gerade seinen Anfang genommen […] Das Ergebnis, der ›Director's Cut‹ von 1993, [spricht] für sich: Ridley Scotts Version intakt und wiederhergestellt, minus der störenden Offkommentare und des angeklebten falschen Happy Ends, dafür mit etwas schärferer Charakterzeichnung und einer zusätzlichen, vormals verlorenen quasi-legendären Szene. Diese ist lediglich eine gute halbe Minute lang und zeigt Deckards Traum von einem Einhorn.« Simon Staake, filmszene.de, Berlin
»Wie sein Vorbild, der Film Noir, ist ›Blade Runner‹ von Dunkelheit geprägt, die äußerst sparsam von künstlichem Licht durchschnitten wird, das auffallend wenig erhellt. Die Farbpalette des Films ist monochromatisch, Schwarz- und Blautöne dominieren, ein schwaches goldenes Schimmern lässt dann und wann noch erahnen, wie weit das Paradies entfernt ist. Scotts Einsatz von Ton und Musik verstärkt die Wirkung seiner Bilder enorm. ›Blade Runner‹ ist kein lauter Film, aber es gibt kaum Momente echter, völliger Ruhe. Die synthetische Musik von Vangelis akzentuiert den träumerischen Charakter des Films, der sich im Titel von Philip K. Dicks literarischer Vorlage äußert: ›Do androids dream of electric sheep?‹, entzieht die Bilder dem direkten Zugriff und hüllt sie stattdessen in einen Schleier. Soundeffekte dringen von allen Seiten in den Film und entfernen sich wieder, selbst die Dialoge muten wie Musik an, die in der Unendlichkeit verhallt, anstatt einfach nur ein Ende zu finden.«
Oliver Nöding, Remember it for later/remeberitforlater.de, Krefeld
Vor ›Blade Runner‹ hätte ich nach all den Erfahrungen, die ich mit ihm in B-Produktionen gemacht habe, nie gedacht, dass Rutger Hauer eine solch enorme Wirkung entfachen kann. Diese Vielfältigkeit aus eiseskalter Bösartigkeit, seinem Zynismus, der Trauer und dem Mix aus alledem hätte ich ihm schauspielerisch ehrlich gesagt nicht zugetraut. Er erweist sich als würdiger Gegenpart zum charismatisch spielenden Harrison Ford, innerhalb eines herrlich dreckig ausgefallenen Blockbusters, der den Vertretern heutiger Beiträge dieser Art zeigt, was mit vergleichsweise schlichten Mitteln alles möglich ist, um dennoch großes Kino zu schaffen.«
Schlombie/schlombies-filmbesprechungen.blogspot.com
»Mr. Ford is, for a movie so darkly fanciful, rather a colorless hero; he fades too easily into the bleak background. And he is often upstaged by Rutger Hauer, who in this film and in '›Night Hawks‹' appears to be specializing in fiendish roles. Mr. Hauer is properly cold-blooded here, but there is something almost humorous behind his nastiness. In any case, he is by far the most animated performer in a film intentionally populated by automatons […] The end of the film is both gruesome and sentimental. Mr. Scott can't have it both ways, any more than he can expect overdecoration to carry a film that has neither strong characters nor a strong story. That hasn't stopped him from trying, even if it perhaps should have.«
Janet Maslin, The New York Times (19982)
»In purely aesthetic terms, ›Blade Runner‹ remains one of the influential pop-culture creations of the modern age. It is certainly one of the most achingly beautiful, sumptuously art-directed films ever […] Drenched in death, ›Blade Runner‹ is a dark vision of the future, but Scott’s definitive Final Cut ends on a cautiously hopeful note. Mortality is inevitable, but before it comes, empathy and trust and love are possible, even between human and android. At the end of his killing spree, Deckard is no longer raging against the machine. Because, deep down, maybe he is the machine.«
Stephen Dalton, Sight&Sound, British Film Institute, London (2015)