»Die Würde des Menschen ist ein kranker Witz. Alles, was wir sind, ekelt mich an.« Viel Verdruss am Zustand der gegenwärtigen Welt schwingt in diesen Worten, aber auch reichlich altkluges Gedöns. »Glocke« weiß nicht so recht wohin mit sich und seinen Gefühlen, das Leben scheint irgendwie halt- und richtungslos. Um einem Mädchen zu imponieren, fackelt er den Luxusschlitten eines Zuhälters ab und landet im wahrsten Sinne des Wortes – vom Dach eines Dixi-Klos – in der Scheiße. Das Video der missglückten Revoluzzer-Flucht geht sogleich online und bei »Monsterklick« durch die Decke. Gedemütigt und deprimiert, möchte »Glocke« am liebsten einen Neustart wie beim Computer. Die sozialen Netzwerke stehen als Freund und Helfer bereit: Ein gewisser ›Friedrich‹ ruft seine Follower hinaus ins Freie, zurück zur Natur. Statt der erwarteten 200 zieht allerdings nur ein Häuflein fünf junger Leute in die Berge: drei Jungen und zwei Mädchen. Der Weg ist das Ziel, aber einer von ihnen spielt mit falschen Karten. Die Stimmung schlägt um, Wut und Enttäuschung entladen sich in einer aggressiven Aktion. Ist ihre Expedition an der Realität gescheitert, oder werden die fünf noch einmal die Kraft finden zur Erfüllung ihres Traums vom anderen Leben?
Streitbar und herausfordernd: die Suche nach Antworten auf die Fragen der Zeit.
Fotos: farbfilm Verleih, Berlin
»›Raus‹ ist ein mutiger Genremix: ein bisschen Aussteigerdrama, ein wenig Coming-of-Age-Abenteuer und jede Menge Roadmovie. Hirsch, der Kurzfilme und Musikvideos für Bands wie ›Heaven Shall Burn‹ und ›Secrets of the Moon‹ gedreht hat, hat viel von der Clip-Ästhetik auf sein Kinodebüt übertragen. Sinnliche Zeitlupen-aufnahmen wechseln mit hastigen Verfolgungsjagden und dichten Weitwinkeleinstellungen, die den Protagonisten unglaublich nahekommen. ›Raus‹ ist dynamisches, mitreißendes junges Kino. Eine ungestüme Mischung, die ihre Makel offen zur Schau stellt und trotzdem oder gerade deshalb begeistert.«
Falk Straub, spielfilm.de, Nierstein
»Der ambivalente Beginn ist kennzeichnend für den Film, der etwas uneinheitlich ist in seiner Stimmung, etwa so wie ein launischer Teenie. Überraschungen sind dabei garantiert, und sie sind nicht immer positiv […] Der Film wechselt hin und wieder seine Richtung und sein Genre, so wie auch die mit ihrem Leben unzufriedenen Heldinnen und Helden dieser Geschichte zwischendurch neue Wege beschreiten.«
Gaby Sikorski, programmkino.de, Osnabrück
»Vielmehr stellt sich immer dringlicher die Frage: Wer ist eigentlich dieser ominöse Friedrich …? Bei der Lösung dieses Problems stoßen die fünf Aussteiger in der Spur Friedrich Nietzsches auf ›Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne‹. Denn die Lüge – und das ist der interessante Dreh dieses Films – erweist sich nicht als Betrug, sondern als gemeinschaftsstiftendes Strukturmoment. Es bedarf einer Autorität – doch ihr logischer Platz wird von niemandem usurpiert. Dank dieser originellen Wendung … wird ›Raus‹ zum sehenswerten Film, dessen ambitionierter Gesellschaftsentwurf sich von trendiger Naturverkitschung unterscheidet.«
Manfred Riepe, epd film, Frankfurt/Main
»Die Entdeckung von wilden Bienen und ihres Honigs mündet in eine – ironisch verkitscht fotografierte – Liebesszene, Glocke will endlich seine Jungfräulichkeit verlieren. Aus den Liebesbienen aber werden bald Folterbienen. Hirsch zitiert damit eine Szene aus dem Horrorfilm ›The Wicker Man‹ von 2006, die Szene ist verstörend. Plausibel aber ist die Verrohung der Jugendlichen nicht, ebenso wenig wie die Aussteiger-Utopie am Schluss. Der Twist, den Hirsch seiner Geschichte gibt, aber ist interessant: Es ist der Gedanke, dass erst die Lüge das wahrhaftige Leben möglich macht.«
Martina Knoben, Süddeutsche Zeitung, München
»Die Frage nach gruppengemachter Gewalt lauert im ganzen Film. Und tatsächlich kommt es zu einer verhängnisvollen Szene, in der sich das ganze Drama kollektiver Gewalt verdichtet: das gegenseitige Hochschaukeln, die Herauskristallisierung eines vermeintlich höheren Gemeinwohls, die Schwierigkeit, den individuellen Zweifeln Gehör zu verschaffen.«
Manon Cavagna, critic.de, Berlin
»Wenn Glockes Mission fehlschlägt und er zur Lachnummer des Internets wird, fängt Hirsch behände den Tonfall sowie den visuellen Stil diverser Web-Communitys ein – und wenn es für Glocke und seine Mitstreiter daraufhin in den Wald hineingeht, geht Hirsch eine stimmige Balance ein, zwischen altmodisch-ruhiger Wildnisromantik und überzogeneren Kamerawinkeln. Mit punktuell gewählten Gesichtsaufnahmen und farbgefilterten, schrägen Naturimpressionen schaffen Hirsch und sein Kameramann Ralf Noack ›Raus‹ auf Bildebene eine gute Übersetzung des Wandertrip-Kinos für die Generation Social Media.«
Sidney Schering, wessels-filmkritik.com, Hamburg