»Ihr könnt mich mal alle stachelweise«, schmollt Latte, das trotzige Igel-Mädchen. Sie fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes angepiekst: Alle hacken auf ihr herum, keiner kümmert sich um sie, niemand scheint sie besonders zu mögen. Außer Tjum vielleicht, das wuselige Eichhörnchen. Der aber ist eher ein Angsthase, folgt den Eltern aufs Wort und zieht lieber seinen Schwanz ein. Fatal, dass gerade ihm nun dieses Malheur passiert: Bei einer Balgerei mit Latte bricht der letzte, mit Wasser gefüllte Kürbis der Wald-Gemeinde auseinander. Wasser ist seit langem knapp, der ausgetrocknete Bach offenbart jedem den Ernst der Lage. Die Versammlung der Tiere weiß keinen Rat, und was der Kolkrabe orakelt, wird ins Land der Legende verwiesen: Keiner will glauben, dass der Bärenkönig Bantur einen Wasserstein in seinem Palast versteckt. Noch weniger will sich einer der Erwachsenen auf den Weg zum weißen Berg machen, zu groß ist ihre Furcht vor dem Unbekannten. Das ist Lattes große Chance: Die kleine Igelin will beweisen, wer sie ist und was sie kann – und zieht alleine los in den Nordwald. Tjum wächst über sich hinaus und folgt ihr am nächsten Tag. Gemeinsam trotzen sie den Gefahren, streiten und versöhnen sich – und am Ende sprudelt das Wasser für alle.
Igel sind Einzelgänger und Eichhörnchen Hasenfüße? Das ist ja wohl ein Märchen!
Fotos: Koch Films, Planegg/München
»Die Verfilmung zeichnet sich durch ein Höchstmaß an Sorgfalt aus. Die Bilder besitzen dreidimensionale Tiefe, die Hintergründe sind nicht bloße Staffage, sondern werden immer wieder in das Geschehen miteingebunden. Und Wasser und Felle sehen zumindest ansatzweise wie Wasser und Felle aus. Die Farben sind blass und fahl, es dominieren Grau-, Braun- und Beige-Töne; damit entspricht die Kolorierung konsequent dem, was man sich unter einer Landschaft, in der akuter Wassermangel herrscht, vorstellt. Zudem geben sich die Regisseurinnen viel Mühe, die Action hochzuhalten. Immer wieder kommt es zu wilden Verfolgungsjagden oder rasanten Rutschpartien, bei denen Latte als stachelige Kugel besonders gut performt.«
Thomas Lassonczyk, film-dienst, Bonn
»Für die junge Zielgruppe ausgesprochen unterhaltsam verpackt und noch dazu wunderschön anzusehen. Die Animation insbesondere der Hintergründe ist nahezu realistisch und in stimmungsvollen Farben gehalten, während die Charaktere der Tiere auch in ihren liebevoll gestalteten Erscheinungsbildern zum Ausdruck kommen. Die kessen Bemerkungen, die Deppert und Behnke Latte Igel in den Mund legen, fügen sich mit dynamischen Actionsequenzen und gefühlvollen Momenten zu einem kurzweiligen Vergnügen zusammen. Und im Wasserballett der Bären verzeichnet der Film der Regisseurinnen Wels und Welker einen narrativen Höhepunkt, in dem Humor und hochwertige 3D-Animation sich nicht nur die Hand reichen, sondern geradezu in den Armen liegen.« Leena M. Peters, filmloewin.de, Berlin
»Latte ist eine durchaus eher schroffe Person, auch im Gespräch so stachelig wie ihr Rücken, aber die Sache mit Gut und Böse ist hier durchweg nicht so ausgemacht, wie es auf den ersten Blick klingen mag. Die Kröte etwa, der die beiden Jungtiere bald begegnen, wirkt so freundlich wie zwiespältig; aber ob sie den beiden Böses will oder nicht, das bleibt doch eine Weile lang offen. Mit Rücksicht auf das (sehr) junge Zielpublikum gibt es kaum Angstmomente, ›Latte Igel und der magische Wasserstein‹ hält sich aber im Verhältnis zu anderen Trickfilmen der letzten Jahren auch sehr deutlich mit überlauten, schnellen Actionsequenzen zurück; stattdessen gibt es so bizarre wie bezaubernde Momente wie ein ausführliches, sensationelles bäriges Wasserballett zu sehen.«
Rochus Wolff, kino-zeit.de, Mannheim
»Es ist faszinierend zu sehen, wie die beiden Regisseurinnen Regina Welker, Absolventin der Filmakademie Ludwigsburg, und Nina Wels ... den Fokus auf das Klimathema Dürre legen, ohne die Geschichte dadurch zu verbiegen. Die bleibt märchenhaft-fantastisch und vermittelt über nahezu realistisch gestaltete Bilder von trockenen Pflanzen und Steinen dann doch untergründig die Problematik. Spätestens, wenn es im Bärenpalast dann üppig sprudelt, wird spielerisch klar, sauberes Trinkwasser muss allen Lebewesen zugänglich sein.«
Ina Hochreuther, Stuttgarter Zeitung
»In Zeiten von Greta Thunberg mutet die zentrale ökologische Botschaft hochaktuell an. Der implizite Appell, irdische Ressourcen wie Wasser zu schonen, wird zwar klar vorgetragen, aber angenehm unaufdringlich vermittelt. Die Filmemacher*innen meiden unnötige Beschönigungen und zeigen, dass Tiere auch Tiere fressen, um zu überleben. Bei Natur und Tieren ist das Streben nach einer naturalistischen Gestaltung unübersehbar. Im Kontrast zu knallig bunten, hektischen Hollywood-Trickfilmen pflegt man hier mit gedeckten Farben und gemächlichem Erzähltempo einen ›europäischen Stil‹.«
Reinhard Kleber, www.kinder-jugend-filmportal.de, Remscheid
»Latte Igel spiegelt hier menschliche Verhaltensweisen eindrücklich, aber nie aufgesetzt, zeigt die Misere ebenso deutlich wie die Möglichkeiten des Handels. Doch anders als in der gegenwärtigen, globalen Fridays for Future-Bewegung rufen die ›Kinder‹ in Latte Igel und der magische Wasserstein nicht nur zum Handeln auf, sondern handeln auch selbst. Sie machen dabei aber auch deutlich, dass es ohne eine nachhaltige Verhaltensänderung auf allen Seiten nicht geht, dass auch die Erwachsenen und auch die Tiere aus anderen Landesteilen mitmachen müssen, damit am Ende alle profitieren.« Axel Timo Purr, artechock.de, München
»Zugegeben, Latte Igel kann nicht mit extravaganten Charakteren wie gelben Phantasiegeschöpfen mit Kunstsprache oder Kreaturen aus der Eiszeit aufwarten. Auch der Plot vollzieht keine wahnwitzigen Wendungen wie etwa Pandas, die ihre Martial-Arts-Künste erproben, oder Ratten, die als Meisterköche ihre Berufung finden. Die Protagonisten von Latte Igel entsprechen eher einem traditionellen Typus, der sich in Literatur – die Titelfigur mit ihrem dezidierten Freigeist erinnert wohl nicht zufällig an Mark Twains ›Huckleberry Finn‹ – und Film schon vielfach bewährt hat. Auch die Animation orientiert sich stilistisch eher an klassischen Arbeiten des Genres, eine durchaus stimmige Entscheidung, die gut zur bereits 1958 veröffentlichten Romanvorlage passt.«
Jörg Schiffauer, ray Filmmagazin, Wien
»Mit der Titelheldin Latte und ihrem ihr auf der Reise wie ein Schatten folgendem Freund wider Willen Tjum drehen die Filmemacher zudem die klassische genderbedingte Rollenverteilung auf links. Die junge Igeldame ist mutig, rebellisch und hört nicht auf die Worte der umstehenden Waldbewohner, während der Eichhörnchen-Junge vorwiegend ängstliche ist und mehr als einmal von Latte vom Abenteuer überzeugt werden muss. Gleichsam hat man nie den Eindruck, die dies veranschaulichenden Szenen kämen mit einem erhobenen Zeigefinger daher. Für Nina Wels und Regina Welker ist es ganz einfach eine Selbstverständlichkeit, die Tiere so zu zeichnen, wie es ja auch im Roman bereits vorgegeben ist.«
Antje Wessels, wessels-filmkritik.com, Hamburg