Was für ein schöner sonniger Sommermorgen, an dem die 16-jährige Suzume den Hügel hinab zur Schule radelt. Vor ihr Bucht und Stadt im Tal, ein Idyll mit sattblauem Himmels- und Meerespanorama. Suzumes Blick aber wird gebannt von einem ihr entgegenkommenden jungen Mann, der ihr ebenso schön wie geheimnisvoll erscheint. Sōta, wie der mysteriöse Fremde heißt, fragt sie, ob es hier in der Gegend irgendwelche Ruinen gäbe, er sei auf der Suche nach einer Tür. Das Mädchen weist ihm den Weg zu einem verfallenen Bade-Ressort – und folgt dem Unbekannten, von dem sie sich magisch angezogen fühlt. Was sie an dem maroden, menschenleeren Ort findet, ist eine frei im Wasser stehende, einen Spalt breit geöffnete Tür. Als Suzume der Versuchung nicht widerstehen kann und hindurchgeht, stolpert sie über einen Eck-Stein, der sich auf mysteriöse Weise in ein nur scheinbar niedliches Kätzchen verwandelt. Erschreckt und verwirrt zurück in der Schule, sieht sie von ihrem Platz aus einen roten Feuerschweif am Himmel, die Erde beginnt zu beben. Wie Suzume bald darauf von Sōta erfährt, gibt es in Japan viele dieser magischen Türen. Seine familiäre Berufung ist es, sie fest verschlossen zu halten, um Naturkatastrophen zu verhindern. Nachdem ihn Daijin, die eben noch versteinerte Gotteskatze, mit einem Fluch in einen dreibeinigen Kinderstuhl verwandelt hat, muss Sōta seine Aufgabe und die Verantwortung an Suzume delegieren. Ein mutiges und zu allem entschlossenes Mädchen im Bunde mit einem sprechenden gelben Schemel im Wettlauf gegen ein raffiniertes, von Touristen gern fotografiertes Kätzchen: ein Trio infernale!
»Suzume schließt die Tür«. So heißt der Originaltitel des Films und führt damit direkt zum Kern der Geschichte einer Reise durch Japan. Sie beginnt auf Kyūshū im Süden und führt die Heldin über mehrere Stationen gen Norden, in die Region Tōhoku. Hier löste im März 2011 ein Seebeben vor der Sanriku-Küste eine Katastrophe aus, die sich für alle Welt mit dem Namen Fukushima verbindet. Seit dem Tsunami und dem Tod der Mutter lebt die jetzt 16-jährige Suzume bei ihrer Tante, wo sie eines Morgens Sōta begegnet und die Mission ihren Anfang nimmt.
Zwischen Tradition und Moderne: ein zeichnerisches Meisterwerk von visueller Schönheit, ein Anime mit magischer Aura.
Fotos: Wild Bunch Germany / Crunchyroll, Berlin /
SUZUME Film Partners
»Schon Suzumes den Film einleitender Traum löst direkt ein Versprechen ein, welches man sich von jedem neuen Film von Makoto Shinkai erwartet: überwältigende Bilder! Die Auftaktszenen sind dabei nicht nur ein visueller Augenschmaus, sondern machen mit der Darstellung eines Himmels, der von Sonnenlicht und funkelnden Sternen gleichzeitig erhellt wird, auch verdammt neugierig! Es ist ein wunderbarer Vorgeschmack auf die atemberaubenden Dinge, die hier in den nächsten zwei Stunden noch folgen sollen, vor allem aber auf das einmal mehr großartige Spiel mit Licht und Farben.«
Björn Becher, spielfilm.de, Berlin
»›Suzume‹ ist ein fesselndes Roadmovie über Verlust, Trauer, Mut und jugendliche Selbstfindung, das zu keiner Sekunde langweilt. Bis zum positiv-tränenreichen Ende werden die grandiosen Bilder von einem Potpourri aus Bigband-Sounds, großem Orchester und japanischen Schlagern unterlegt. Ebenso vielfältig werden die Gefühle sein, die den Zuschauer mitreißen. Ein Meisterwerk!«
André Wesche, Aachener Zeitung
»Das ist großes Kino der großen Gefühle und großen Ideen, das jedoch nie in Kitsch und Melodrama abgleitet, das immer wieder überraschende Fragen stellt und Visionen in den Raum stellt, die unbequem sind, und vor allem eins deutlich macht: Liebe und Tod reichen in unserer Welt nicht mehr aus, um die Welt zu retten.«
Axel Timo Purr, artechock.de, München
»Immer wieder zieht der Film große Panoramen auf, in denen die (für Shinkai-Werke inzwischen obligatorische) atemberaubende Optik mit ihrer Mischung aus extrem detaillierten Kulissen, butterweich animierten Figuren und computergenerierten Elementen ihre volle Stärke ausspielen kann. Auch der Soundtrack spielt dann groß auf, beherrscht zwischendurch aber auch die leisen, wohligen Klänge und verstärkt damit den atmosphärischen Kontrast zwischen jenen epochalen Momenten und den ruhigen, zutiefst menschelnden Sequenzen, in denen Suzume und Souta die Gastfreundschaft ihrer Reisebegegnungen zuteil wird.«
Christian Neffe, kino-zeit.de, Mannheim
»Das Genie von Shinkais Filmen liegt nicht im Protzigen, von dem es einiges gibt, sondern im Kleinen: den realen Orten nachempfundenen Szenerien, den menschlichen Momenten, dem Regen, der Sonne und dem Witz einer fiesen Katze. Eben das ist es, was Shinkais Bilderwelten im Allgemeinen und ›Suzume‹ im Besonderen so einzigartig und sehenswert macht.«
Valerie Dirk, Der Standard, Wien
»Shinkais Erzählung ist jedoch nicht bloß verwurzelt in der jüngeren Geschichte Japans, sondern auch als Kommentar lesbar zu einer global die Menschen beängstigenden, krisengeschüttelten Gegenwart. Dass er die Hoffnung nicht verliert und als Zuversicht in das Erreichen kosmischer Harmonie gestaltet, zeichnet diesen Film aus – und macht ihn zu einem aufrichtigen und seelenvollen Vertreter seines Genres.«
Alexandra Seitz, tip, Berlin
»Fast alle Japaner sind Anhänger des Animismus, einer spirituellen Glaubensform, nach der alle Dinge beseelt sind. So ist es nur naheliegend, wenn Makato Shinkai in ›Suzume‹ auch die Erdbeben, die Japan immer wieder erschüttern, als Ausdruck einer Lebensform imaginiert. Verknüpft wird dieses Motiv mit den so genanten Haiykos, Ruinen, die sich überall auf den Inseln finden lassen. Nicht nur durch von Erdbeben verursachten Zerstörungen, sondern auch durch die alternde Bevölkerung und die Verstädterung, die zur Aufgabe ganzer Ortschaften geführt hat.«
Michael Meyns, programmkino.de, Berlin
»Ein rauchfarbener Wurm, der Erdbeben auslöst, wird zum gewaltigen Gleichnis eines wortwörtlich seismischen Ereignisses, das die verwaiste Protagonistin auf der Jagd nach einem magischen Maskottchen konfrontieren muss. Türen, die in verlassenen Ortschaften ein Tor zu überwältigender Trauer öffnen, dienen als plastische Metapher für die Muster sozialer Verdrängung. Deren positiver Gegenpol sind gemeinschaftliche Erinnerungen und die Akzeptanz eines Lebens, das trotz der Verlusterfahrung bedeutsam ist. So wie Suzumes dreibeiniger Stuhl; ein ebenso origineller Sidekick wie Symbolträger.«
Lida Bach, moviebreak.de, Kassel
»In kleinen humorvollen Szenen erzählt Makoto Shinkai dabei von den bittersüßen Erfahrungen beim Erwachsenwerden. So wird aus der launischen Schülerin eine junge, selbstbewusste Frau, die lernt, sich gegen Widerstände zu behaupten. Schöner, leichter und mitreißender kann man vom Ende der Kindheit kaum erzählen. In seiner unmittelbaren Gefühligkeit schrammt ›Suzume‹ manchmal nur knapp an der Kitschgrenze vorbei. Aber so ist das eben mit dem Erwachsenwerden.«
Thomas Hummitzsch, Rolling Stone, Berlin
»Seine größte Qualität hat dieser Film nicht in den durchaus liebenswerten Details, sondern in einer allgemeingültigen, hoch emotionalen Metaphorik, die es erlaubt, zwei große Themen in einem zu verhandeln. Zum einen ist da jene besonders unter Jugendlichen erlebte Vereinsamung während der Corona-Lockdowns, die noch immer nachwirkt. Zum anderen jene tiefe, existenzielle Verunsicherung, die mit dem Klimawandel einhergeht.
Nicht nur im Anime hat das japanische Kino eine einzigartige Expertise im Umgang mit Apokalypsen entwickelt. Kein Wunder, dass es derzeit zu einer Leitkultur gerade bei den jüngeren Generationen geworden ist.«
Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau
»Faszinierend ist ›Suzume‹ auch wegen der dynamischen Bildführung sowie seiner realistischen und detailverliebten Animationen. Urbane Landschaften, in denen es allerlei zu entdecken gibt, wechseln sich mit geisterhaft verlassenen Orten und dem ungebändigten Farbengewirr der Nachwelt ab. Und da ›Suzume‹ keine Möglichkeit zur Distanz gibt, bleibt nichts anderes übrig, als sich mit der hochemotionalen Heldin in diese Welten zu stürzen.«
Michael Kienzl, filmdienst.de, Bonn
»Es ist vor allem das Licht, das man von diesem Film in Erinnerung behält. Glühende Wolken treiben über verlassene Landschaften. Sanfter Sonnenschein liegt über Orten, an denen keine Menschen mehr wohnen, über zerfallenden Häusern und rostenden Gerippen aus Stahl. Manchmal fällt der Kamerablick in diesen Ruinen durch Türen, hinter denen plötzlich ein dramatischer Sternenhimmel sich öffnet. Hier herrscht das schöne kalte Licht ferner Sonnen und Galaxien; der Glanz der Ewigkeit, gänzlich indifferent gegen die kleinen Wesen, die durch diese Welt irren.«
Jens Balzer, Die Zeit, Hamburg
»Hinter Spiegeln und Türen findet Suzume schließlich ein Wissen, das alles anderes ist als eitel: Wer die Toten nicht ehren und betrauern kann, fällt schon zu Lebzeiten unter sie. Der Kinderstuhl, der vier Beine haben will, aber nur drei hat, ist nicht dazu da, dass Erwachsene darauf Platz nehmen. Ein Kind sitzt da, das es nicht länger gibt, für immer: ein Bild.«
Dietmar Dath, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Das unterscheidet Shinkai und andere jüngere Anime-Auteure von der Generation Ghibli: Sie unternehmen nicht mehr den Versuch, in ihren Werken einen harmonischen Zusammenhang herzustellen, als ästhetische Gegenkraft zu einer gefährdeten Welt. ›Suzume‹ ist als Film, bei aller Gekonntheit und Schönheit, selbst zerstückt, ein zerbrochenes Ganzes aus großen und kleinen, glitzernden, wutroten, komischen, animistischen und vielen anderen Scherben.«
Ekkehard Knörer, taz, Berlin
»Ich habe eine Reihe von Kritiken zu ›Suzume‹ gelesen, und in den meisten wird kaum erwähnt, wie seltsam das alles ist. Nun, ich habe nichts gegen schräge Filme, aber man sollte zumindest zur Kenntnis nehmen, was passiert. Es gibt viele Stellen in ›Suzume‹, an denen man erwartet, dass man die seltsame Logik des Films akzeptiert und nicht zu viele Fragen stellt. Auch damit habe ich im Prinzip kein Problem, aber wir sollten uns zumindest ansehen, was der Film von uns verlangt, als normal zu akzeptieren. Es ist eine endemische Schwäche von Fantasy-Filmen, zu denen dieser Film wohl gehört, dass alles möglich ist. Die dramatische Spannung wird durch das Wissen gemindert, dass der Drehbuchautor zu jedem Zeitpunkt eine Entwicklung aus dem Nichts herbeiführen kann, die in der realen Welt keinen Sinn ergibt, aber den willkürlichen Regeln des Films folgt. Das führt dazu, dass man sich nicht wirklich dafür interessiert, was passieren wird, da die Prämisse so lächerlich ist, dass alles, was passiert, ohne Rückgriff auf die Logik passiert.«
Phil Butland, cinephil.home.blog, Berlin (übersetzt mit DeepL)