»Der Klügere gibt nach«, hat der Vater schon tausendmal seinem Sohn Lukas geraten – und wird selbst wissen, dass er so seinen Jüngsten nicht erreicht. Was vielleicht der Elterngeneration noch als vernünftige Verhaltensregel gelten mochte, ist längst zu einem billigen Allgemeinplatz verkommen – in bestimmten Gegenden Berlin-Neuköllns, aber auch anderswo allemal. Da entwickeln sich brachiale Schlägereien im Park wie aus dem Nichts. Am Ende trägt man nicht nur eine blutige Fresse davon, sondern hat auch 500 Euro Schulden am Hals, zu begleichen bis morgen. Das Leben hier ist rau und ruppig, die Sprache vulgär und obszön wie ein Rapsong. Die Schule ist ein Spiegel der Realität, ab und an noch für TV-Nachrichten gut mit Reizworten wie brutale Gewalt, grobe Vernachlässigung, extremer Migrationsanteil. Kein Ort für Zukunft, daran ändern wohl auch die 50 nagelneuen Computer nichts, die der Gesandte der Bildungsverwaltung mit wohlfeilen Worten verteilt. Aber vielleicht sind sie nützlich, um die offene Rechnung zu begleichen, wenn man sie vorher aus dem Keller holt und dann schnell zu Geld macht. Lukas und seine drei Buddies sind dilettantische Einbrecher und dilettantische Verkäufer, das Ganze kann nur in die falsche Richtung laufen. Ihre Lage scheint aussichtslos, aber ihr Zusammenhalt lässt einen Hoffnungsstreif am Horizont. Sie sind nicht verloren.
Nach dem gleichnamigen, autofiktionalen Roman des Podcast-Moderators und Comedians Felix Lobrecht: krass, wuchtig, schmerzhaft – ein starker und notwendiger Film!
Fotos: Constantin Filmverleih, München
»Es ist nicht meine Geschichte im Sinne von: Das ist meine Lebensgeschichte. Viele Sachen, die im Buch vorkommen und nun auch im Film passieren, habe ich eins zu eins selbst erlebt. Genauso viele Sachen sind aber auch frei erfunden. Ich habe immer offengelassen, was wahr ist und was nicht. Dabei belasse ich es auch.«
Felix Lobrecht über die Verfilmung
»Gemeinsam mit den Casting-Direktorinnen Ulrike Müller, Jacqueline Rietz und Kathleen Döbbel hat David Wnendt ein Ensemble vereint, dass uns gleichermaßen verstört wie anrührt. Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Hessling und Aaron Maldonado-Morales spielen ihre Rollen mit Leidenschaft, sie trauen sich was, sie gehen aufs Ganze und sind dabei immer glaubwürdig. Herausragend. Aber es sind auch die vielen kleinen und mittelgroßen Rollen, die diesen Film mit geballter Wucht zum Leben erwecken. Das ist einzigartig.«
Dominic Raacke – aus der Juryentscheidung des Deutschen Schauspielpreises 2023
»… erreicht viel mehr als eine kritische Milieustudie und verzichtet auf anklägerische Töne. Hier wird in einem mitreißenden Mix der Genres und visuellen Stile unverstellt vom Erwachsenwerden unter schwierigen Umständen erzählt, von erster Liebe und tiefer Freundschaft, von der Widerstandskraft junger Menschen, ein energetischer Film unter Starkstrom.«
Knut Elstermann, radioeins, Potsdam/Berlin
»Aber ebenso wenig wie der Film in Richtung der Jugendlichen moralisiert, wirft er mit großen Ausrufezeichen in Richtung der Politik. Genau das verortet ihn auf Augenhöhe mit seinem Publikum und lässt ihn nie innehalten in seiner speziellen, durchaus empfindsamen Wucht. Eines jedenfalls ist klar: Eine solche Seltenheit von einem Coming-of-Age- und Großstadtfilm dürfte sich recht schnell zum Kultfilm mausern ... David Wnendt gelingt eines der besten deutschen Jugenddramen der vergangenen Jahre.«
Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau
»Schuld und Unschuld trifft in ›Sonne und Beton‹ nämlich mit Volldampf aufeinander. Es geht nicht darum, Sympathien zu erlangen, sondern etwas weitaus Wichtigeres: ein Verständnis für die Charaktere, ihre Situation und die damit gekoppelten Ansichten. Julius mag auf den ersten und gerne auch auf den zweiten Blick ein nerviger Poser sein, aber nach und nach macht der Film klar, dass auch er sich einem System unterordnet. Zwischen all den Betonblöcken steckt eine Menge Sensibilität. Das alles wurde von David Wnendt berauschend in Szene gesetzt. Die Hitze des Sommers brennt überall, der Geruch von warmem Beton und Schweiß liegt in der Luft und kurze Szenen im kalten Nass des Schwimmbads oder wenn es endlich einmal regnet, verschaffen wohltuende Abkühlung. Passend dazu pulsiert die Kamera geradezu, lässt dabei aber nicht die Übersichtlichkeit vermissen. Ohne Wenn und Aber, ›Sonne und Beton‹ sieht blendend aus: Authentisch, lebendig, schroff und aufgeheizt, ohne jedoch blind zu sein für kurze Momente des Durchatmens.«
Sebastian Groß, Moviebreak.de, Kassel
»Denn obschon sich immer wieder engagierte Menschen finden, die auf jeweils eigene Art versuchen, zu helfen, erweisen sie sich in der Regel als ahnungslose Verschlimmbesserer. So ist es vor allem ein Vakuum, das die Jungs umgibt, eines, das sich mit viel Getue und Situativem zu kaschieren versucht. Dass ›Sonne und Beton‹ in dieses Vakuum dringt, ja, geradezu sticht, und das auf durchaus unterhaltsame und dynamische Weise, ist vielleicht der größte Verdienst von Felix Lobrechts und auch David Wnendts ungemein breitenwirksamer Arbeit.«
Carolin Weidner, perlentaucher.de, Berlin
»›Sonne und Beton‹ lebt von seinem Vibe, von den Jungs, mit denen man mitfiebert, und von diesem flirrenden, flott inszenierten Blick in eine Welt, die so im deutschen Kino noch nicht auf der Leinwand zu sehen war. Es ist ein die Augen öffnender Blick über den Tellerrand der Wohlstandsgesellschaft hinaus, dem eine raue Strassenpoesie innewohnt.«
Jens Balkenborg, NZZ am Sonntag, Zürich
»Denn Sprache ist nicht nur vulgär, sie ist Experimentierfeld und verbale Kampfarena, in der Posen geübt und Grenzen ausgetestet werden. Dazu passt auch der Soundtrack mit Tracks von Rappern wie Lucio101 und Luvre47, die – genau wie Felix Lobrecht selbst – in Nebenrollen zu sehen sind. Es gehe nicht darum, ob Gropiusstadt gut oder schlecht wegkomme, hat Lobrecht einmal über sein Buch gesagt - sonders dass dieses Viertel so wegkomme, wie er es damals erlebt habe. Diesen Ton trifft auch Wnendt.«
Annett Scheffel, Süddeutsche Zeitung, München
»Lobrecht pfiff auf politische Korrektheit und verheimlichte nicht die türkischen und arabischen Wurzeln der Drogendealer. Das nimmt auch Wnendt auf, reproduziert aber keine Klischees oder Vorurteile, sondern zeigt die Figuren in ihren Widersprüchen. ›Scheißtürken‹ und ›Scheißdeutsche‹ bekämpfen sich. Armut verhindert jegliche Hoffnung auf Aufstieg. Die Authentizität des Romans spiegelt sich auch im Film, der den Spagat zwischen Problemlastigkeit und Alltagskomik schafft und unterhält, ohne das Thema zu verwässern, weil er sich an der Lebenswirklichkeit vieler 15-Jähriger orientiert.«
Margret Köhler, RedaktionsNetzwerk Deutschland, Hannover
»David Wnendt ... inszeniert das Jugenddasein mit viel Gespür für aufgeplusterte Posen und die ganz reale Angst von Gewalt und Schmerzen; er treibt seine präzise ausgesuchten Laienakteure zu beachtlichen schauspielerischen Leistungen an. Manches ist nah an der Überzeichnung, aber nach Detlevs Bucks ›Knallhart‹ ist hier endlich wieder ein deutscher Kiezfilm, der anders als Fatih Akins ›Rheingold‹ weder Statussymbole noch ethnische Herkünfte verherrlicht. Jeder hat seine eigene Geschichte im Asphalt-Dschungel. Dass darüber nun ein starker Film entstand, ist eine gute Nachricht für den deutschen Film.«
Uwe Mies, Westfälische Rundschau, Essen
»Besetzt wurden die vier Kids, mit denen man fühlt und fiebert, egal wie viel Müll sie reden und Mist sie bauen, mit tatsächlich 15-Jährigen, allesamt Laien, die in einem sensationell aufwändigen Streetcasting gefunden wurden, allen voran Levy Rico Arcos als Lukas. Gleich die ersten Bilder sind ein Schock, wenn man das Gesicht dieses Jungen sieht: So jung sieht er aus, fast noch ein Kind. Es tut weh, wenn er sich eine Zigarette ins Gesicht steckt oder Alcopops reinpfeift, gar nicht zu reden davon, wenn er, unschuldig und wehrlos, Prügel einstecken muss. Schreien will man und ihn zumindest in die Arme nehmen. Natürlich weiß man als Zuschauer, was für eine Schnapsidee es von ihm und seinen Freunden ist, in die eigene Schule einbrechen und 50 neue Computer klauen zu wollen, um die fiese Drogengang von der Backe zu bekommen und endlich wieder einmal durchatmen zu können und einfach wieder nur zu träumen von einem anderen Leben, das es vermutlich nicht geben wird, und Mädchen, die für immer unerreichbar sein werden. Aber gleichzeitig ist dieser völlig bekloppte Raubzug auch ein wunderbares Sinnbild für Wünsche und Träume, Sehnsucht und Verzweiflung, Naivität und gespielte Härte, die Jugend nun einmal ausmachen.«
Thomas Schultze, Blickpunkt: Film, München