»Gucken Sie mal im Internet unter Gemeinwohl-Ökonomie. Dafür steh’ ich.« Der Mann im orangenen Hemd sagt das in ruhigem Ton. Sein Gegenüber hatte ihm gerade zugerufen, er habe von Politik die Schnauze voll, ihm sei das Geld am Monatsende näher als das Klima in 50 Jahren. Auch darauf weiß Stefan Schellenberg eine vernünftige Antwort. Es ist Bundestagswahlkampf 2021 in Südthüringen. Wahlkreis 196, einer der kleinsten im Lande, sorgte landesweit für Furore. Nicht wegen Schellenberg, denn der steht für die medial kaum präsente Ökologisch-Demokratische Partei, deren Ergebnisse unter »Sonstige« verschwinden. In den Fokus kam 196 wegen Hans-Georg Maaßen, dessen Nominierung für die CDU durchaus eine Provokation war. Um ihn als möglichen Sieger zu verhindern, greift die Plattform »campact!« in den Wahlkampf ein, appelliert an SPD, Grüne und Linke, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Umfragen belegten, wer das nur sein könne: Frank Ullrich, vielfacher Biathlon-Weltmeister und Olympiasieger. Mit »Einer von uns« wirbt er für sich und die SPD. 50% der Grünen- und 20% der Linken-Wähler folgten dem »campact!«-Aufruf; als »Sieg der Demokratie« bilanzierte das die Plattform. Manche Kandidaten sahen es anders. Stefan Schellenberg erhielt 848 Erststimmen – und macht weiter!
Ein kluger, erhellender, streitbarer Film: 2024 wird in drei Bundesländern gewählt, auch in Brandenburg.
Fotos: 1meter60 Film / barnsteiner-film, Ascheffel
»›Arena 196‹ ist ein Film, der die Wirklichkeit hinter den Abziehbildern zeigt. Es geht nicht nur um den Alltag des politischen Geschäfts, es geht außerdem um den Osten, die Nachwirkungen der Wendezeit und die Probleme heute [...] ›Arena 196‹ verdichtet präzise Beobachtungen zu einem politischen Lehrstück über die Demokratie, das jede Schulklasse gesehen haben sollte. Und Erwachsene sowieso! Es ist auch ein Blick voraus auf die thüringische Landtagswahl im nächsten Jahr, die bereits als eine deutsche Schicksalswahl gilt.«
Jakob Hayner, Weltplus, Berlin
»Warum Frank Ullrich am Ende die Wahl gewinnen kann, auch dafür liefert ›Arena 196‹ eine Antwort: Immer wieder taucht sein Slogan ›Einer von/für uns‹ im Film auf. Das zieht noch immer (oder wieder?) in den Tälern, auf den Dörfern, in den Städten im Süden Thüringens, denen der Film ganz nebenbei eine Liebeserklärung macht. ›Wir lieben dieses Land‹, sagen auch Yvonne und Wolfgang Andrä. Am Ende führt der Film das Publikum zur SPD-Wahlparty und in den Bundestag. Der Abspann merkt an, wie die von SPD, Grünen und FDP beschlossenen Wahlrechtsreform die Demokratie verändert wird: Künftig ist nicht mehr sicher, dass auch derjenige wirklich in den Bundestag einzieht, der das Direktmandat gewinnt.«
Peter Lauterbach, Südthüringer Zeitung, Bad Salzungen
»Welche Folgen es zum Beispiel auf den politischen Diskurs hat, wenn wie in diesem Fall die Kandidaten der Linken und Grünen explizit aufgefordert, um nicht zu sagen gedrängt werden, sich zurückzuziehen, ist eine der spannenden Fragen, die in ›Arena 196‹ aufgeworfen werden. Gerade der Kandidat der Linken, der sich nicht ›freiwillig‹ zurückzog musste online offenbar einiges an Beleidigungen und Beschimpfungen ertragen, was die Einflussnahme einer Organisation wie Campact durchaus problematisch erscheinen lässt. Was für den Kandidat ein Ärgernis war, mutet für einen Film wie ›Arena 196‹ allerdings wie ein Glücksfall an, wird so doch eine zusätzliche Facette des Wahlkampfes deutlich, der diesen Einblick in die demokratischen Strukturen der Bundesrepublik umso sehenswerter macht.«
Michael Meyns, programmkino.de, Berlin
»Sehr schnell wird ›Arena 196‹ zur Lehrstunde in parlamentarischer Demokratie. Die Frage, welchen Einfluss die Campact-Kampagne auf das Wahlgeschehen hat, lässt sich trefflich hin und her wenden. Spannend ist tatsächlich zu sehen, wie die Kandidaten und die Parteien mit dem unerwarteten außerparlamentarischen Faktor umgehen. Durch die Auswahl des Wahlkreises geht es auch um die deutsche Einheit und das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland. Daneben ist gut zu beobachten, wie sich die Kandidaten als Personen und Politiker:innen verhalten und auf welche Weise sie die Gunst der Menschen zu gewinnen versuchen.«
Frank Schmidke, brutstatt.de, Hamburg
»Es war ein Duell zwischen Nickelbrille und Langlaufski, zwischen Maaßen und Ullrich. Bald wurden die anderen Kandidaten aus ganz Deutschland aufgefordert, sich zurückzuziehen. Um Ullrich zu unterstützen, um Maaßen zu verhindern. Aber das taten sie nicht. Sie kämpften weiter für die eigenen Parteien, auch wenn das aussichtslos war. Darüber konnte man sich damals vielleicht wundern. Aber wenn man den Film heute sieht, kann man nichts anderes denken als: Richtig so! Bitte, liebe Parteien, macht alle euer eigenes Ding! Und das ist doch interessant in Zeiten, in denen die AfD Wahlen gewinnt trotz parteiübergreifender AfD-verhindern-Bündnisse. Gerade mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen im Osten [...] Der Film ›Arena 196‹ ist eine Liebeserklärung. An das Land Thüringen, was allein ja auch mal guttut. Vor allem aber an den demokratischen Diskurs.«
August Modersohn, Die Zeit, Hamburg
»Das Ehepaar, das auch Kamera, Schnitt und Produktion verantwortet, lässt Menschen zu Wort kommen, die sich den Frust über enttäuschte Hoffnungen von der Seele reden, über das Kaputtmachen ihrer Betriebe durch raffgierige Westinvestoren und über den Verlust von 30.000 Menschen allein im Wahlkreis, die keine Arbeit mehr fanden und in den Westen gehen mussten. Wer sonst über die AfD-Erfolge in den neuen Bundesländern nur den Kopf schütteln kann, erfährt hier etwas über den Nährboden, auf dem die Saat des Protestes wächst. Hans-Georg Maaßen, der als einziger im Wahlkreis nicht aus Thüringen stammt, glaubt, dass die Menschen dort ›so ticken wie ich‹. Aber der Film zeigt unaufdringlich und implizit, dass das nicht stimmt. Warum die Menschen im Wahlkreis 196 so ticken, wie sie es tun, erfährt man nur, wenn man ihnen ausreichend Filmzeit einräumt.«
Peter Gutting, film-rezensionen.de, München
»Der Leipziger Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann, der mit seiner Streitschrift ›Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung‹ erst im Frühjahr einen Bestseller auf der Leipziger Buchmesse landete, urteilt: ›Der Film ist von hohem dokumentarischen Wert und hohem Erkenntniswert zugleich. Besonders überzeugt der taktvolle und diskrete Umgang mit allen politischen Bewerbern, die selbst zu Wort kommen, um ihre Positionen umfassend artikulieren zu können. Zugleich bekommt man einen tiefen Einblick in die Landschaft, die Atmosphäre, die Vorstellungswelt und die gesellschaftlichen Herausforderungen der dort lebenden Menschen.‹ [...]
Die beiden Weimarer Filmemacher Yvonne und Wolfgang Andrä wird so viel Lob aus berufenen Munde freuen.«
Freies Wort, Suhl