FILMERNST

Sehend lernen – Die Schule im Kino

Das Kompetenzzentrum für
Film – Schule – Kino
im Land Brandenburg

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Falsche Worte

Fake News, um das gleich mal zu Beginn klarzustellen, werden Sie in diesem Rundbrief nicht finden. Alles, was Sie hier an Zahlen und Zitaten lesen, ist durch den Filmernst-Faktencheck gegangen. Sollte Ihnen dennoch etwas spanisch, schwedisch oder schwäbisch vorkommen, dann haben wir in der lingua franca einen guten Rat für Sie: »You never eat as hot as it is cooked.« Sie können …


… es ruhig prüfen: Das Zitat stammt von unserem Finanzminister und spricht von (s)einer polyglotten Unbekümmertheit beim diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Gern hätten wir auch noch die freie Übersetzung von »viele Köche verderben den Brei« gehört, aber der sprachliche Einleitungs-Exkurs: »Isch over!« Wir kommen zum filmernsten Frühjahrsprogramm. 

Weltweite Worte

Ende März startet die nächste FILMERNST-Runde: Das vierfache Angebot – für alle Jahrgangsstufen – ließe sich in einem Satz zusammenfassen: Auf dem langen Ritt zur Schule werden wir keinesfalls – weder online noch offline – unser Lachen verkaufen, sondern ganz laut sagen: Nicht ohne uns! Das gilt auch für die Spielstätten, denn mit uns wollen noch mehr: Das »Alte Kino« Lychen …


… und das »Klubhaus« Ludwigsfelde begrüßen wir mit Freude als neue Partner – und hoffen natürlich auch hier auf volle Säle. Insgesamt beteiligen sich am aktuellen Programm 28 Spielorte, so viele wie noch nie. Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Mit sechs Kinos haben wir angefangen!

Drei der vier Filme des neuen Programms sind gerade erst in die Kinos gekommen, können aber alle sehr gut unsere filmernste Unterstützung gebrauchen. Vor allem Dokumentarfilme haben es ja oft nicht ganz leicht mit der schulischen Resonanz, wir werden weiter unten noch darauf zurückkommen. »Nicht ohne uns!« aber dürfte und sollte große Aufmerksamkeit finden:  Es ist eine Entdeckungsreise rund um den Globus, zu 16 Kindern in 14 Ländern auf fünf Kontinenten – weltweite Worte, die wir da hören: verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen und vor allem ganz verschiedene Voraussetzungen für die Gestaltung ihres Lebens. Gerade für Kinder in einer Wohlstandsgesellschaft öffnet der Film Zugänge in andere Welten, er weitet Horizonte und schärft den Blick.




Zum ersten Mal, man glaubt es kaum, haben wir einen Film von Andreas Dresen im Programm. Aber es ist ja auch sein erster Kinderfilm: »Timm Thaler oder das verkaufte Lachen«. Die Adaption der berühmten literarischen Vorlage, die Dresen als Kind unter der Bettdecke – heimlich, mit Taschenlampe – gelesen hat. Er fand die Geschichte spannend und ihm gefiel die Botschaft, dass es Dinge gibt, die sich letztlich auch nicht für alles Geld in der Welt kaufen lassen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, in der Reihe »Reden wie über Geld«, wurde Andreas Dresen am Ende gefragt, was er denn damals, nach dem Mauerfall, für die 100 DM Begrüßungsgeld gekauft habe. Ehrlich, wie Dresen ist, antwortet er: »Ich habe alles in Kinobesuche umgesetzt. Zuerst in Peter Greenaways ›Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber‹. Eine ziemlich abstruse Geschichte. Hinterher war ich wutentbrannt, zwölf Mark meines schönen Westgelds waren weg. Zum Glück hat mich der zweite Film, ›Mystery Train‹ von Jim Jarmusch, wieder versöhnt.« Das Geld war gut angelegt …




Mit Andreas Dresens filmischer Herkunft, der DEFA, hat der dritte Beitrag des Frühjahrsprogramms zu tun. Als FILMERNST im November mit dem DEFA-Programmpreis ausgezeichnet wurde, hatten wir versprochen, dem filmischen Erbe auch weiterhin einen festen Platz einzuräumen. Aktuell ausgewählt haben wir, aus eher traurigem Anlass, einen Film des im letzten Herbst nach langer Krankheit verstorbenen und uns sehr verbundenen Rolf Losansky. Zu Rolfs Beisetzung auf dem Bornstädter Friedhof kam auch Gojko Mitić, der in »Der lange Ritt zur Schule« in der Doppelrolle als Sportlehrer Geisel und Häuptling Roter Milan zu sehen ist: fantastische Verwandlungen. 




Der vierte Film kündigt schon im Titel an, worum es geht: »Offline – Das Leben ist kein Bonuslevel«. Was passiert, wenn ein leidenschftlicher Online-Gamer notgedrungen mit dem Offline-Leben konfrontiert wird – mit realen Gefühlen, realen Erfahrungen, realen Hindernissen in der Natur? Auf Festivals schon gefeiert und ausgezeichnet, muss sich »Offline« nun auf dem nächsten Level beweisen: dem ganz realen Kino!





Fotos: farbfilm Verleih, Berlin; Constantin Film, München; DEFA-Stiftung/Heinz Pufahl; Little Dream Entertainment, Köln






Wahre Worte

Wirklich wahr: Als »Sprachwahrer des Jahres« ist von der »Deutschen Sprachwelt« kein englischsprechender Politiker, sondern – neben anderen – Miro Klose nominiert worden, weil er in seiner oberschlesischen Geburtsheimat Fußballschulen unterstützt, die Kindern spielerisch die deutsche Sprache beibringen. Damit hätten wir mit einem Direktpass die elegante Überleitung zur Schule geschafft oder genauer: zum Rückblick auf die SchulKinoWochen, die …


… mit filmernstem Schwung das neue Jahr einleiteten. »Deutsch lernen mit Filmen: sehen, verstehen und besprechen« war dabei ein Programm-Extra – insbesondere für Schulklassen mit neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen.


Am Ende der zwei intensiven SchulKinoWochen konnten wir dem Kooperationspartner VISION KINO 15.400 Besucher in 187 Veranstaltungen »abrechnen«. Das ist noch mal eine kleine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, aber auf die Zahlen allein kommt's uns ja nicht an. Wichtig ist das Sprechen über das Gesehene, der Austausch von Ansichten, Meinungen, Interpretationen. Zum Beispiel nach einem Film wie »Snowden«. Nach immerhin 135 langen Filmminuten wurde lebhaft diskutiert, vor allem die zentrale Frage: Freiheit oder Sicherheit, was ist wichtiger? FILMERNST-Moderator Sven-Ole Knuth hatte – nicht zum ersten Mal nach einem Film – den positiven Eindruck, dass die vermeintlich unpolitische Jugend von heute durchaus trefflich streiten kann. 


Foto: VISION KINO

Gute Worte

Gute Worte, guter Stil: Der einfachste Weg dahin sei, sich vorher zu überlegen, was man sagen wolle. Mit dieser Erkenntnis beginnt der Eintrag, den Wolfgang Herrndorf am 22. 11. 2011 seinem Blog »Arbeit und Struktur« hinzufügte. Er entsann sich darin auch seines Deutschlehrers – und eines von diesem heftig korrigierten Aufsatzes – mit der zu späten Einsicht, damals besser auf den Lehrer gehört zu haben. Herrndorfs »Tschick« …


… lässt seinen Helden Maik Klingenberg auch einen Deutschaufsatz schreiben, eine »Reizwortgeschichte« mit den Wörtern Urlaub, Wasser, Rettung und Gott. Im Gegensatz zu seinen Mitschülern hat Maik durchaus etwas zu sagen – und es wäre sehr schade gewesen, hätte Fatih Akin in seiner Adaption des Romans auf diese Fremdschäm-Szene verzichtet. So aber wurde sie ganze 31 Mal während der SchulKinoWochen im Land Brandenburg gesehen, von 2.600 Zuschauern: »Tschick« war der absolute Publikums-Favorit!


Wir nehmen einfach mal an, Herrndorf hätte sich sehr darüber gefreut – und zitieren hier noch einen Stelle aus seinem Blog-Eintrag vom 28. April 2010:

»Endlich schleppt sich die Romanhandlung raus aus Berlin. Der Lada ist fachmännisch kurzgeschlossen, und grad hab ich die Jungs auf die Autobahn gejagt und mich unter den Tisch gelacht über den Einfall, daß sie keine Musik hören können […] und dann finden sie während der Fahrt unter einer Fußmatte die Solid Gold Collection von R. Clayderman, und ich weiß auch nicht, warum mich das so wahnsinnig lachen läßt, aber jetzt kacheln sie gerade mit Ballade pour Adeline ihrem ungewissen Schicksal entgegen. Projekt Regression: Wie ich gern gelebt hätte.«

Unbedingt lesen: »Arbeit und Struktur«.



Fotos: StudioCanal, Berlin; Rowohlt Berlin

Laute Worte

»Statt zu schweigen, will ich schreien!« Sonita packt ihre Gefühle in Rap-Songs, dabei dürfte sie als muslimisches Mädchen gar nicht singen. Als Kind musste sie vor den Taliban aus der afghanischen Heimat fliehen. Elf Jahre hat sie illegal in Teheran gelebt, nun soll sie zurück, weil ihre Familie die Tochter für 9.000 Dollar an einen Mann verhökern will. Aber Sonita lehnt sich auf, mit Worten und Musik. Ein ergreifend starker Film …


… der beim berühmten Sundance Festival letztes Jahr den Großen Preis der Jury und den Publikumspreis gewann. Doch bei den Brandenburger SchulKinoWochen, auch das wollen wir bei der Bilanz nicht verschweigen, hat ihn keiner gesehen. Keine einzige Anmeldung!


Damit teilt »Sonita« das »Schicksal« eines anderen Dokumentarfilms, der genau vor einem Jahr bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann: »Seefeuer«. Der führt auf einen Vorposten der Festung Europa, auf die Mittelmeerinsel Lampedusa. Es ist kein einfacher, aber im wahrsten Sinne des Wortes augenöffnender Film, frei für eigene Assoziationen, Emotionen und Worte. Der Film fordert zum Hinsehen auf – und ist so furchtbar aktuell: 2016 wagten mehr als 180.000 Menschen die riskante Überfahrt. Über 5.000 ertranken dabei im Mittelmeer – die höchste je verzeichnete Opferzahl.

Dokfilme, das ist keine neue Erfahrung, haben es immer schwer in unserem Angebot. Aber gar keine Resonanz auf Filme wie diese, damit wollen wir uns nicht einfach so zufriedengeben. Deshalb weisen wir noch einmal auf sie hin und auf die Möglichkeit, sie jederzeit auch als »Wunschfilme« bei uns anzufragen. Nach den SchulKinoWochen ist - wie immer – FILMERNST-Zeit!


Foto: RFF – Real Fiction Filmverleih, Köln

Keine Worte

Die Eltern verschweigen ihm etwas, aber der elfjährige Tomáš wird mit seiner Videokamera die  Familiengeheimnisse ans Licht und die Erwachsenen zum befreienden Reden bringen. »Ab ans Meer« war 2016 die große FILMERNST-Überraschung und der meistgesehene Film: knapp 2.500 Besucher dieses wunderbaren tschechischen Kinderfilms über das zu Wahrheit und Klarheit führende Filmemachen. Knapp dahinter, mit 2.300 Besuchern, der Aufruhr …


… der Gefühle: »Alles steht kopf« – oder genauer: fünf Emotionen programmieren im Hirn eines elfjährigen Mädchens deren Leben, ihren Gefühlshaushalt, ihr Gedächtnis, zum Kugeln komisch und emotional ernst. Und auch in diesem Pixar-Abenteuer geht es nicht zuletzt darum, miteinander zu reden.


Worüber man mit anderen nicht reden kann oder will, das ließe sich einem Tagebuch anvertrauen. Das berühmteste – literarische – Tagebuch hat Hans Steinbichler für eine filmische Annäherung an ein Mädchen und eine Familie genommen, die in lebensbedrohlicher Not miteinander sprechen und schweigen mussten: Seine Darstellung der Anne Frank erleuchtet keine Ikone, sondern zeigt ein pubertierendes Kind, das zur jungen Frau heranwächst. »Das Tagebuch der Anne Frank« steht mit knapp 2.300 Besuchern auf Platz 3 der FILMERNST-Jahresbestenliste 2016, die Veranstaltungen und die Gespräche nach dem Film konnten einlösen, was Anne Frank sich gewünscht hatte: »Ich will fortleben, auch nach meinem Tod. Ich will nicht umsonst gelebt haben.«




Insgesamt – und das ist neuer Rekord – zählten wir 2016 bei 209 FILMERNST-Veranstaltungen 17.856 Schülerinnen und Schüler sowie 1.445 sie begleitende Lehrkräfte – aus 170 Schulen des Landes Brandenburg. Im Vergleich zum Jahr davor ist das eine kräftige Steigerung um fast 15 Prozent. Für ihre Mitwirkung an diesem ganz hervorragenden Ergebnis und ihr filmernstes Engagement möchten wir uns bei allen Lehrerinnen und Lehrern ganz herzlich bedanken!


Fotos: Der Filmverleih, Stuttgart; Walt Disney Studios Motion Pictures Germany; Universal Pictures International Germany

Freundliche Worte

»Willkommen im Haus der Springbrunnen!« Außergewöhnlich, diese Begrüßung an einem Ort, wo man Freundlichkeit nicht vermutet. Doch dieses Waisenhaus ist außergewöhnlich – ebenso wie die sieben hier lebenden Kinder, die ein schweres Schicksal teilen. »Mein Leben als Zucchini« ist auch ein ganz außergewöhnlicher Animationsfilm, ausgezeichnet mit dem FILMERNST-Gütesiegel und nominiert …


… für den Oscar. Vielleicht wird er ihn ja an diesem Wochenende gewinnen, verdient hat er es. »Mein Leben als Zucchini« (Schweiz/Frankreich, Regie Claude Barras) hat Witz und Wärme, Verstand und Gefühl. Er bringt das Schwere mit Leichtigkeit zum Schweben, wie den Drachen des Neunjährigen, der sich »Zucchini« nennt. Der stellt am Ende fest: »Manchmal weint man, weil man froh ist.«

Und noch auf einen weiteren Film möchten wir hinweisen, der gerade in den deutschen Kinos gestartet ist – und dem wir ebenfalls das FILMERNST-Gütesiegel verliehen haben: »Enklave« (Deutschland, Serbien, Regie Goran Radovanović) führt ins Kosovo und zeigt uns einen Schulweg der ungewöhnlichsten Art: Da läuft ein 10-Jähriger zu einem KFOR-Kontrollposten, steigt hier in einen Schützenpanzer und wird zum Unterricht gefahren. Im Klassenzimmer sitzt nur er allein, am nächsten Tag hat sich sogar die Lehrerin davongemacht. Aus den Augen eines Kindes erleben wir die Normalität des Ausnahmezustands. Ein Film von stiller Wucht, berührend, ergreifend – und mit einer großen Hoffnung. Für Kinder und für Erwachsene!


Beide Filme wollen wir auch ganz ausdrücklich für schulfilmische Veranstaltungen empfehlen, wir werden sie in jedem Fall in unsere Angebote einbeziehen. Wer jetzt schon die Gelegenheit hat, sie zu sehen, dem seien sie ans Herz gelegt!


Foto: polyband Medien, München

Prophetische Worte

»Es wird knapper und enger, und es kann auch 2018 sein.« Dieses den Rundbrief abschließende Zitat ist natürlich ebenfalls durch den filmernsten Faktencheck gegangen. Berlins Regierender Bürgermeister hat orakelt, und Sie werden unschwer erraten, auf welche hochfliegenden Vorhaben er hier abhebt. »In den letzten Monaten sind wir gut vorangekommen«, so hört sich dagegen Brandenburger Euphorie an, wenn es …


… um die Eröffnung des BER geht. Unserem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke glauben wir aufs Wort, aber wir wollen doch noch mal zum Anfang springen: »You never eat as hot as it is cooked.«


Beim Kochen und beim Essen, in der Küche und im Kino wünschen wir Ihnen die schönsten Erlebnisse!

Online-Umfrage

Mehr als 15.000 Besucher in 185 Veranstaltungen der SchulKinowochen im Land Brandenburg: Das ist noch mal eine kleine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Nicht wenige Veranstaltungen waren begleitet und umrahmt von Filmgesprächen, hier gab es die direktesten Rückmeldungen – sowohl Lob als auch Kritik. Für die qualifizierte Evaluierung des Projekts gibt's aber auch eine (anonyme) Online-Befragung – und so möchten wir Sie sehr herzlich um Ihre Mitwirkung bitten. Hier …


... ist der Link zu der – von VISION KINO – entwickelten Befragung:


https://www.surveymonkey.de/r/SKW1617Lehrer


Ihre Auskünfte und Anregungen, Vorschläge und Wünsche helfen uns sehr. Die Daten werden vertraulich behandelt und nur zu internen Auswertungszwecken verwendet.


Danke – und bis zum nächsten FILMERNST-Rundbrief die herzlichsten Grüße!

FILMERNST-Neujahrsgruss

»Man kann Gott nicht allein mit Arbeit dienen, sondern auch mit feieren und ruhen«, wie uns der große Reformator mit auf den Weg gab. Das haben wir in den letzten Tagen getan, nun geht's weiter mit filmernster Arbeit, die uns natürlich immer auch filmernstes Vergnügen ist. Wir können nicht anders …



Ganz im Ernst:
»Hier stehe ich und kann nicht anders!«

Eine Legende, diese Worte
und wir wissen, dass der grße Reformator sie so nie gesprochen hat. Wir wollen sie dennoch gern für das Jahr 2017 zu unserem festen, filmernsten Bekenntnis machen:
Auch künftig nehmen wir es sehr ernst
mit den Schulen, den Filmen, den Kinos
und den Reformen im Land Brandenburg.

In diesem Sinne danken wir allen filmernsten Freunden, Kollegen, Partnern und Förderern für den bisherigen Beistand und wünschen ihnen einen guten Start ins Reformationsjahr - mit festen Standpunkten und weiten Blicken.

In eigener Sache

Solchen Überschriften folgen ja meist Hiobsbotschaften. Hier ist es das ganze Gegenteil, nämlich die Jubelmeldung in einem weiteren Extra-Rundbrief, dem bald ein regulärer folgen wird – versprochen! Jetzt aber der Tusch in eigener Sache, für den ersten Preis, auf den FILMERNST reichlich zwölf Jahre lang ebenso geduldig wie zielstrebig hingearbeitet hat. Die DEFA-Stiftung würdigte die filmernste Arbeit, auch und gerade zur Vermittlung des filmischen Erbes, mit einem ihrer – durchaus begehrten und für uns durchaus viel werten – Programmpreise.


Mehr als 500 Gäste waren am 18. November in die Berliner Akademie der Künste gekommen, um – im Jubiläumsjahr, 70 Jahre nach Gründung der DEFA – die 16. Preisverleihung der DEFA-Stiftung mitzuerleben. Den Preis für das künstlerische Lebenswerk bekam – mit stehender Ovation – Herrmann Zschoche, wir hatten und haben mehrere seiner Filme im Programm (»Philipp der Kleine«, »Sieben Sommersprossen«, »Insel der Schwäne«, »Karla«).
Für die in aller Welt geschätzten Filmhistoriker und Kinokoryphäen Erika und Ulrich Gregor gab es den Preis für herausragende Leistungen im deutschen Film; für den 35-jährigen Leipziger Regisseur Thomas Stuber den Förderpreis für junges Kino. 


Schließlich die drei Programmpreise: einen für die (auch Filme zeigende) »Homunkulus« Figurensammlung auf Hiddensee, einen für Horst-Peter Koll, Chefredakteur der Zeitschrift »film-dienst«, und der dritte ging zu gleichen Teilen an das Kinderfilmfest im Land Brandenburg und an FILMERNST. In Empfang genommen haben den Preis Jana Hornung und Jürgen Bretschneider (für FILMERNST) sowie Dr. Götz Bieber (Direktor des LISUM) und Katharina Riedel (Vorsitzende des Filmverbandes Brandenburg) für das Kinderfilmfest.  


Moderiert wurde der Abend in gewohnt launig-lockerer Art von Knut Elstermann. Den Tusch und viel gut klingendes Blech schmetterte die »Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot«.


Unsere filmernste Freude groß zu nennen, wäre eine große Untertreibung – der kleine FILMERNST ist mit dieser Auszeichnung ein ganzes Stück gewachsen.


Nicht zuletzt: Gewidmet haben wir den Preis auch unserem – kürzlich verstorbenen – Ehren-FILMERNST Rolf Losansky. Rolf, wo immer Du auch bist, auf welcher weißen Wolke oder in welcher Litfaßsäule: Es ist auch Dein Preis! 


Fotos: Christa Penserot/LISUM



Los geht's!

Es ist mal wieder soweit: Nicht die Umstellung der Zeit auf den lichtarmen Modus, sondern die Ausrichtung des filmernsten Angebots auf die nächsten SchulKinoWochen – und das ist in jedem Fall erleuchtend und erhellend. Die Broschüren sind an alle Schulen versandt worden; das Programm ist vom Feinsten: 31 Animations-, Dokumentar- und Spielfilme für alle Jahrgangsstufen, thematisch und künstlerisch ebenso vielfältig wie hochwertig. Unterhaltsame und spannende Filmgeschichten, aber auch solche …


... die für Heranwachsende ganz wesentliche, sie bewegende Probleme aufgreifen und gestalten. Viele Filme sind ganz aktuell, erst in diesem Jahr, in den letzten Monaten und Wochen in den Kinos angelaufen. Hier nur der ganz kurze Blick auf einige Perlen:


Herausragend sicher die Verfilmung des – inzwischen zur Schullektüre gehörenden und zum Kultbuch gewordenen »Tschick« in der Regie von Fatih Akin.
Eine Parabel über die Verführbarkeit durch Macht und Geld ist die Adaption des Hauffschen Märchens »Das kalte Herz«; nach dem DEFA-Klassiker von 1950 ist es eine neue Version des alten Stoffes – und aktueller denn je.
Ein Geheimtip von enormer Verführungskraft, ein Genrefilm bester Art ist »Der Nachtmahr«: Schwarze Romantik trifft den Zeitgeist! In der Rubrik »Digital Life – Mind Games« finden sich herausragende Filme wie »Nerve« über die Verlockungen und Gefahren des virtuellen Lebens.
Der Dokumentarfilm »Seefeuer« gewann bei der diesjährigen Berlinale den Goldenen Bären, er führt uns nach Lampedusa und fordert uns auf, hinzusehen, was dort seit Jahren alltägliche Realität ist. 
»Sonita« ist ein weiterer, ganz außerordentlicher Dokumentarfilm über eine junge Afghanin, die in Teheran lebt und ihren Protest gegen die Verhältnisse – und ihre drohende Zwangsheirat – als Rapperin zum Ausdruck bringt.
Oliver Stones »Snowden« schließlich lässt keinen Zweifel daran, wie für ihn die Frage: Held oder Verräter? zu beantworten ist.


Die ersten Anmeldungen haben uns bereits erreicht, am schnellsten geht's online – unter Orte und Zeiten bei den jeweiligen Filmen. Das komplette Programm gibt's hier im Überblick.


Zum Auftakt am 12. Januar im Filmmuseum Potsdam zeigen wir den – in der Reihe »Der besondere Kinderfilm« geförderten – und uns besonders am Herzen liegenden Spielfilm »Auf Augenhöhe«. Die in Potsdam lebenden Regisseure Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf werden im Filmmuseum – und möglicherweise auch in anderen Kinos – unsere Gäste sein. Wir freuen uns schon sehr.



Ab ans Meer!

Diese Aufforderung passt wohl besser zum Sommer, aber bis dahin ist es ja noch weit. Dafür ist der tschechische Film mit diesem Titel der absolute Favorit unseres Herbstprogramms. Mehr als 2.200 angemeldete Schülerinnen und Schüler für 24 Veranstaltungen, das ist überraschend und ganz großartig. Die höchst originelle Geschichte von zwei Elfjährigen, die mit Videokameras zu den Regisseuren ihres eigenen Lebens werden, wurde zurecht mit dem FILMERNST-Gütesiegel ausgezeichnet. Freie Plätze für die Novembertermine des Films gibt's noch in ...


... Bernau, Falkensee, im »Weltspiegel« Cottbus und im »Thalia Potsdam« – und natürlich auch immer die Möglichkeit, andere Zeiten und Orte anzufragen. 


Die weiteren Filme des aktuellen Herbstprogramms: der höchst fantasievolle DEFA-Klassiker »Der Drache Daniel«, die ihrem deutschen Bruder »Tschick« nicht unähnlichen, mindestens ebenso originellen französischen Automobilisten »Mikro und Sprit« und nicht zuletzt das einfühlsame, großartige türkische Fünf-Schwestern-Porträt »Mustang«.
Es lohnt sich im FILMERNST-Reisebüro: Ab ans Meer – und an andere Ziele!   


FILMERNST ist traurig

»Manches ist wirklich zu schwer für die Erwachsenen zu verstehen«, sagt Carola Huflattich im »Schulgespenst«, einem der vielen wunderbaren Filme von Rolf Losansky. Gestern, am 15. September, ist Rolf im Alter von 85 Jahren gestorben – und diese Nachricht ist für uns wirklich schwer zu verstehen. Sie geht uns nahe, greift uns ans Herz. Lieber Rolf: Im Himmel ist vielleicht kein Jahrmarkt, aber bestimmt ein Platz für Dich und Deine Filme. Du bleibst für immer unser Ehren-FILMERNST – mit vielen Erinnerungen an Deine Besuche und die Gespräche mit Dir. Wir behalten das dritte Auge für den bunten Blick, versprochen!


Erste Nachrufe vom 15. September:
PNN – Defa-Regisseur Rolf Losansky ist verstorben
Berliner Zeitung – Zum Tod von Rolf Losansky







Einen besonderen filmernsten Gruß an Rolf hatten wir noch im Mai dieses Jahres geschrieben – zu lesen weiter unten: Perlen und Presse

FILMERNST-Programm aktuell

Vier Animationsfilme aus vier Ländern, Perlen ihres Genres und Welterkundungen der ganz besonderen Art, die neben Witz, Spaß und Unterhaltung auch über Gehalt, Substanz und Tiefe verfügen. Wir freuen uns sehr, dass Sie unsere Einladung ins »Trick-Reich« angenommen haben: Anmeldungen gibt's für 50 Veranstaltungen, die meisten für den Oscar-Gewinner »Alles steht kopf«. Aber auch das Sonderprogramm »4 Frauen – 4 Filme« findet starke Resonanz. »Das Tagebuch der Anne Frank« …


… ist für bislang 19 Veranstaltungen gebucht – mit mehr als 2.300 angemeldeten Besuchern und mit zum Teil sehr guten, bewegenden Gesprächen über den Film, die Zeit, die Schicksale. Was wir nicht erwartet hatten: Es gibt sogar eine Anmeldung für alle vier Filme von der »Immanuel Kant«-Gesamtschule in Falkensee. Rund 120 Schülerinnen und Schüler werden an zwei Tagen im ALA Kino »Das Tagebuch der Anne Frank«, »Sophie Scholl – Fünf letzte Tage«, »Lore« und den DEFA-Film »Die Schauspielerin« mit Corinna Harfouch in der Hauptrolle sehen und darüber sprechen.

Weitere Anmeldungen nehmen wir natürlich gern entgegen, gleich hier online, per Mail oder auch telefonisch.

Flyer »Animationsfilm-Programm«
Flyer »4 Frauen – 4 Filme«

Kino und Bino

Im ersten Frühlings-Rundbrief dieses Jahr hatten wir zur Einstimmung ein bisschen Poesie geboten. Die »Rührei-mit-Schnittlauch«-Verse der lustigen Lyrikerin Friederike Kempner kamen ausgesprochen gut an, so dass wir die Reimerei in diesem Extra-Rundbrief fortsetzen. Allerdings aus einem ganz besonderen Anlass, es ist gewissermaßen ein Geburtstagslied. Der Jubilar feiert am 17. Mai seinen 70., und obwohl er schon vor fast einem Vierteljahrhundert aufs Altenteil geschickt wurde, scheint er fideler denn je.


Wir sprechen vom DEFA-Film, der läuft und läuft und läuft, der zunehmend Wertschätzung und Würdigung erfährt, und der weit mehr Perlen vorzeigen kann, als sich das mancher auf einem gelben Sofa vor einigen Jahren vorstellen konnte. Die Gipfel und Abgründe, die Stärken und Schwächen, die genutzten Gelegenheiten und verpassten Chancen einer staatlich gelenkten und geleiteten, Partei und Ideologie verpflichteten Produktionsfirma sind mittlerweile vielfach und sehr differenziert beleuchtet. Was bleibt, sind die Filme, sind Schatten und Licht.


Dieser Extra-Rundbrief, der erste überhaupt, ist daher der DEFA, genauer: den filmernsten DEFA-Sternstunden gewidmet. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen!

Das Geburtstagsständchen ist natürlich aus einem DEFA-Film, 1961 in der Regie von Ralf Kirsten gedreht und am 4. Januar 1962 in den DDR-Kinos gestartet. Der Titel könnte, fünf Monate nach dem Mauerbau, programmatischer nicht sein: »Auf der Sonnenseite«. Mit den Berliner Jazzoptimisten im Bunde singt der 25-jährige Herzensbrecher Manfred Krug eine Ode an die Freude des Kochens und des Kinos:

»Geh doch mal ins Kino, da verfliegt die Wut.
Koche mit Liebe, würze mit Bino!
Hin und wieder tut ein DEFA-Lustspiel gut.
Stell die Sorgen in die Ecke, nimm dir deinen Hut!
Spazier nur auf der Sonnenseite, dann wird alles gut!«

In diesem Sinne: Zum 70. DEFA-Geburtstag erhellende Retrospektiven!
Und wer Manne hören will, der kann hier mal schauen: Filmausschnitt auf youtube


Foto: © DEFA-Stiftung/Max Teschner

Perlen und Presse

Schon geographisch liegt Babelsberg dem FILMERNST-Kinobüro in Ludwigsfelde sehr nahe. Naheliegend war es daher von Anfang an, den Genius loci, den Geist und die Traditionen des Ortes, für unser Programm zu nutzen. Vor allem der DEFA-Kinderfilm bietet ja – unbestritten – eine Menge cineastischer Perlen. Wir wussten von einem Regisseur, für den Filme für Kinder so sein mussten wie für Erwachsene, nur etwas besser. Er hatte das »dritte Auge« für den bunten Blick, und nur mit dem lässt sich …


… laut Rolf Losansky die Welt wirklich entdecken. Rolf wurde so etwas wie der Ehren-FILMERNST, keiner war öfter unser Gast in den Kinos zwischen Uckermark und Spreewald, keiner hatte mehr Filme im FILMERNST-Programm: von »Die »Suche nach dem wunderbunten Vögelchen« über »Ein Schneemann für Afrika«, »Das Schulgespenst« oder »Moritz in der Litfaßsäule« bis hin zu » ... verdammt, ich bin erwachsen«.

Rolfs erste Frage in jedem Spielort gleich bei der Ankunft frühmorgens war übrigens: »Ist auch Presse da?« Er nahm jede Veranstaltung wichtig wie Premieren, niemals kam er zu spät. Nach den Vorstellungen beantwortete er mit Engelsgeduld die vielen Fragen der Kinder, erzählte Geschichten vom Katzencasting und dem Indianerspiel – und holte schließlich ein dickes Bündel selbstangefertigter Autogrammkarten aus der Tasche, die er unterschrieb, bis wirklich der letzte Knirps beglückt von dannen zog. Manchmal brachte er auch seine Filmhelden mit – und die Zuschauer staunten nicht schlecht, wenn sie Moritz oder Carola ›in groß‹ und in natura sahen, so wie Nicole Förster, die bei den Dreharbeiten 1987 noch Nicole Lichtenheldt hieß. Sie bewies den Kindern, dass sie beim Indianerblick nach wie vor bestens standhalten kann (siehe Bildergalerie).




»Wer so viele Kinder über Generationen mit sensiblen Filmen glücklich gemacht und ihr Herz berührt hat, dass sie sich selbst als Eltern und Großeltern noch daran erinnern, der hat diesen Preis verdient«, sagte Christa Kożik in ihrer Laudatio für Rolf, als er von der DEFA-Stiftung 2011 für Verdienste um den deutschen Film geehrt wurde.

Danke, Rolf, für die DEFA-Kinderfilm-Sternstunden!

Hier ein sehr schönes filmisches Porträt von Rolf Losansky (mit Christa Kożik), »abgedreht« von unseren Freunden vom OSZ Teltow.


Fotos: FILMERNST; FILMERNST/Andreas Winter

Shakespeare und Sommersprossen

»Die Erwachsenen wollen, dass man genauso wird wie sie. Das nennen sie dann Erziehung.« Weil ihn das elterliche Regelwerk zunehmend auf ein Muster trimmt, aber weil Moritz eben Moritz und so gar nicht »auf zack« ist, wie es der Vater gern hätte, quittiert er den Familiendienst: »Ich bin gegangen. Es hat mir nicht mehr gefallen«, hinterlässt der Junge als Botschaft und haut ab. Das starke kindliche »Plädoyer fürs Individuelle« hatte eine Autorin verfasst, deren literarische Vorlagen und filmische Szenarien …


… starke Vorgaben waren für starke Regisseure. Rolf Losansky drehte nach Christa Kożiks gleichnamigem Kinderbuch »Moritz in der Litfaßsäule«; die beiden waren ein Team auch bei »Der verzauberte Einbrecher« und »Ein Schneemann für Afrika«.

Bei FILMERNST war Christa Kożik etliche Male zu Gast. Einmal auch zu einer Veranstaltung, von der wir uns besonders viel erhofften. Wir wollten sehen, ob und wie die Verknüpfung einer zeitgenössischen Jugendliebe mit einer Shakespearschen Tragödie die Gefühlswelten eines jugendlichen Publikums auch heute noch berührt. Die Romeo-und Julia-Geschichte »Sieben Sommersprossen«, 1978 in die DDR-Kinos gekommen, erreichte seinerzeit ein Millionenpublikum. Der »Wochenpost«-Kritikerin Rosemarie Rehahn floß die Feder über: »Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt im Kino. Der Film hat, ich sag’s mal auf altmodisch: Gesinnung und Herzenstakt und Charme und Poesie und eine helle Heiterkeit.«

Wir hatten Christa Kożik als Szenaristin des Films eingeladen, gemeinsam mit dem Regisseur Herrmann Zschoche. Die jungen Leute folgten dem Film mit Aufmerksamkeit, was ein gutes Filmgespräch erwarten ließ. Als aber ein junger Mann in der ersten Reihe spontan und laut von sich gab: »Ich fand’s eklig!«, kam kein Gespräch mehr zustande. Herrmann Zschoche war erstaunt und enttäuscht – und alle Nachfragen blieben unbeantwortet. Die Aufklärung des ›Ekligen‹ folgte erst im Foyer vermittels einer Lehrerin: Als die beiden jugendlichen Protagonisten nackt im Gras umhertollen und – seinerzeit eben spektakulär – auch nackt baden, sieht man: Sie sind an bestimmten Stellen nicht rasiert!




Im Foyer wurde es dann doch noch ein angeregtes und anregendes Filmgespräch – und wir waren um eine Erfahrung reicher, wie und wodurch Filme auch wirken.

Herrmann Zschoche und Christa Kożik wurden übrigens 2014 für ihren höchst berührenden Film »Hälfte des Lebens« – in den Hauptrollen Ulrich Mühe und Jenny Gröllmann – mit dem »Hölderlin-Ring« geehrt.

Hier gibt’s die nackte Haut, sehr ästhetisch: Filmtrailer
Und hier ist Hölderlins Liebe zu sehen: Filmtrailer


Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/Herbert Kroiss

Illusionen und Ideale

»Lasst uns all unsere Mühe, unsere Leidenschaft und unser ganzes bisschen Verstand darauf verwenden, dass das Leben leichter, anmutiger und fröhlicher wird. Fangen wir an!« Mit dieser Hoffnung und Zuversicht, mit diesem Grundvertrauen in die eigene Kraft endet die Rede einer jungen Frau, die gerade ihr Pädagogikstudium absolviert hat und nun als Lehrerin in die Provinz geht. Doch bald schon eckt sie an mit ihren Idealen, ihrem Drang zu Offenheit, Ehrlichkeit, Kritik. Das hatte die Heldin mit dem Film gemein: »Karla« …


… eckt an und kam 1965 – in Folge des berüchtigten 11. Plenums des ZK der SED – auf die schwarze Liste, wurde jede weitere Arbeit am Film nach dem Rohschnitt abgebrochen.
Karlas Bildungsideal, so das Verdikt, wäre allgemein-humanistisch-abstrakt und eben nicht sozialistisch-klassenmäßig dargestellt. Erst nach der Wende wurde der Film – nach einem Drehbuch von Ulrich Plenzdorf – vom Kameramann Günter Ost rekonstruiert und erlebte im Juni 1990 seine verspätete Kino-Premiere.


Wir hatten das große Glück, die Karla bei mehreren FILMERNST-Vorstellungen erst auf der Leinwand und dann live zu erleben – und wir waren uns einig: Es hätte keine bessere für die Rolle geben können als Jutta Hoffmann. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern war sie aktiv und agil, druckvoll und dynamisch wie die Karla vor mehr als 45 Jahren. Sie griff auch gleich selbst mal zum Mikro, forderte Meinungen und Haltungen ein. Schade, dass dies der Regisseur des Films nicht miterlebt hat, denn hier hätte Herrmann Zschoche – anders als bei den »Sieben Sommersprossen« – seine wahre Freude gehabt. »Karla« lebt und »Karla« wirkt auch heute noch, die Probleme ihrer damaligen Schüler sind zu einem guten Teil auch die Probleme heutiger Jugendlicher: eine eigene Meinung und den Mut zu haben, sie gegen andere zu artikulieren und zu verteidigen, sich zu zeigen und nicht zu verstecken, sich für etwas einzusetzen, aktiv zu werden – und vor allem nicht zu heucheln für gute Noten oder um anderer Vorteile willen.




Auf die Frage einer Schülerin, warum sie denn nach dem Verbot des Films oder auch später nicht in den Westen gegangen sei, was sie denn an der DDR mochte, dass sie so lange dort gelebt habe, antwortete Jutta Hoffmann frank und frei: »Es war meine Heimat, und ich hatte das Gefühl, dass ich den Menschen in der DDR mit meiner Arbeit etwas geben konnte. Die sagten immer: ›Wenn die Hoffmann mitspielt, dann ist es kein Scheiß.‹ Ich wollte immer Geschichten erzählen, die den Menschen hier wichtig waren, die die Leute im Westen im Gegensatz jedoch überhaupt nicht wissen wollten.« »Immer geradeaus und um die Ecke«, das wäre für sie schon damals die Kernaussage des Films gewesen – und ist es noch heute. Danke Jutta Hoffmann für diese Karla, danke Herrmann Zschoche für diesen Film.

Jutta Hoffmann liest die »Wochenpost« zwar nicht als Karla, aber als Margit Fließer im wunderbaren Egon-Günther-Film »Der Dritte«: Filmausschnitt auf youtube


Fotos: FILMERNST; © DEFA-Stiftung/Franz-Eberhard Daßdorf

Hoffnung und Haltung

»Im Sozialismus scheint immer die Sonne! Ich bin schon ganz blind vor lauter Licht. Wenn man’s genau nimmt, haben wir doch nur das Beifallklatschen gelernt, Fähnchen winken und so.« Sätze wie diese, von einer 17-jährigen FDJ-lerin, klangen in den Ohren einer Volksbildungsministerin, die Margot Honecker hieß, bestimmt besonders schrill. Bücher, Stücke, Filme, die sich Schule, Bildung und Erziehung widmeten, wurden von den Kunstwächtern höchst penibel »auf Stellen« gelesen und auf ihre ideologische Reinheit …


… geprüft, ganz bestimmt auch »Erscheinen Pflicht«. Der Jugendfilm von Helmut Dziuba kam 1984 in die DDR-Kinos, und der oberste Filmkritiker des »Neuen Deutschland« stellte prompt fest, dass der Regisseur hier leider unter dem von ihm gewohnten künstlerischen Niveau geblieben wäre. Statt dessen hätte er sich einer Erzählweise bedient, »die mitunter in resignative Melancholie abgleitet, in eine Konfliktgestaltung, die kaum zu konstruktivem gesellschaftlichem Handeln motiviert, sondern Verdrossenheit hinterlässt«.

Verboten wurde der Film nicht, wie »Karla« 20 Jahre zuvor, aber so richtig was anfangen wollte man auch nicht mit dem, was sich Helmut Dziuba vorgenommen hatte: »Um zu sagen: Zeig Haltung! Zeig, wer du bist – versteck dich nicht!«

Genau das hat Helmut Dziuba immer wieder bei den Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern nach den FILMERNST-Vorführungen von »Erscheinen Pflicht« gesagt – nicht als Maxime von gestern, sondern als Haltung von heute. Von seiner damaligen Hauptdarstellerin Vivian Hanjohr wurde er darin nur bestätigt, für sie blieb es der einzige, aber eben ein ganz wichtiger Film.




Helmut Dziuba wurde uns zum guten FILMERNST-Freund, wir hatten mehrere seiner Filme im Programme – und wir waren sehr traurig, als er vor drei Jahren starb. »Dürfen Erwachsene weinen«, fragt die siebenjährige Sabine Kleist in einem der schönsten und berührendsten Kinderfilme von Helmut Dziuba. Ja, sie dürfen.

Peter Sodann streicht einen Tadel im Namen des Vaters: Filmausschnitt auf youtube


Fotos: FILMERNST/Marian Stefanowski; © DEFA-Stiftung/Christa Köfer; © DEFA-Stiftung/Siegfried Skoluda

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