»Wir stehen da wie die Schlange und das Kaninchen. Das Kaninchen bin ich«, denkt eine 19-Jährige, als sie sich der Frau ihres Geliebten und deren Luftgewehr gegenübersieht. Nicht wegen sittlicher Bedenken wurde »Das Kaninchen bin ich« 1965 verboten. Ging ein Genosse fremd, war das nicht schön, aber auch kein Drama. Das Drama wäre, wenn ein Film zeigte, welch Karrierist dieser Genosse ist, wie er sein sozialistisches Fähnchen nach dem Wind ausrichtet. Selbst für den DEFA-Gründer gab es hier kein Pardon …
… Kurt Maetzigs Versuch, offene Probleme aufzuspüren, sie mit den Mitteln der Kunst bewusst zu machen und die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen, scheiterte. Der DEFA-Gründer und – über jeden Verdacht eines ungefestigten Klassenstandpunkts erhabene – Genosse übte öffentlich Selbstkritik; am Vorwurf der Sozialismus- und Staatskritik seines Filmes änderte das nichts. »Das Kaninchen bin ich« blieb unter Verschluss bis zur Wende.
Zu Professor Kurt Maetzig nahmen wir filmernsten Kontakt auf, als wir unser großes Projekt »Vergangenheit verstehen, Demokratiebewusstsein stärken: Die DDR im (DEFA-)Film« vorbereiteten. Hier bündelten wir fünf Filme zu fünf Themenkomplexen: Propaganda, Zensur und Verbote, Alltag, Musik, Komödie – und stellten uns die Frage: Was kann die Auseinandersetzung mit Filmen aus der und über die DDR heutigen Jugendlichen vermitteln und bei ihnen bewirken? Natürlich hätten wir Kurt Maetzigs »Das Kaninchen bin ich« gut als Beispiel für den Bereich Zensur und Verbote nehmen können. Hier entschieden wir uns aber für »Karla« – und für »Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse« als Exempel für Propaganda.
Kurt Maetzig, seinerzeit bereits 98 Jahre alt, war mit dieser Auswahl nicht glücklich und nicht einverstanden, was er uns in einem Brief (siehe Bildergalerie) auch begründete. Dennoch wünschte er uns viel Erfolg für das Projekt, persönlich konnten wir ihn leider nicht mehr begrüßen.
Die Veranstaltungen zu »Ernst Thälmann« begleitete der renommierte Filmhistoriker und Maetzig-Biograf Dr. Günter Agde, seine Worte bestätigten uns, dass wir nicht ganz falsch lagen: »Einmal: Es war nützlich, diesen Film zu zeigen, weil er einiges historische Wissen vermittelte: Thälmann, Arbeiterbewegung, Filmemachen in der DDR. Zum anderen war es gut und sinnvoll, auf die Art des ›Machens‹ einzugehen: Wie wird Propaganda ›gemacht‹ – im Film und in der damaligen Sicht auf soziale Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts.«
Dass Kurt Maetzig im übrigen wie kaum ein anderer DEFA-Regisseur in verschiedenen Genres markante filmische Spuren hinterlassen hat, beweist seine extraterrestrische Exkursion: »Der schweigende Stern« war – nach einer literarischen Vorlage von Stanislaw Lem – der erste Science-Fiction-Film der DEFA. Wolfgang Kohlhaase wirkte am Drehbuch mit, und Thälmann-Darsteller Günter Simon flog – mit internationaler Raumschiff-Crew – zur Venus. Die technischen und visuellen Effekte konnten sich 1960 sehen lassen, das Publikum strömte in die Kinos.
Fotos: FILMERNST; DEFA-Stiftung