… wollen Krieg?«. Das war im letzten Jahr der mit Abstand meistaufgerufene und sicher auch meistgelesene Text unserer Webseite. Seit dem 24. Februar 2022 ist diese Frage, aus Jewgeni Jewtuschenkos Gedicht, mit einem klaren »Ja« zu beantworten. Ja, die Russen führen Krieg und sie wollen ihn weiter. Mehr als 200.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten mussten bislang mit ihrem Leben dafür zahlen. Opfer sind aber weit mehr Menschen, nicht zuletzt die Kinder. Vor einem Jahr hatten wir im Rundbrief auf den Dokumentarfilm »Oleg, eine Kindheit im Krieg« …
… aufmerksam gemacht, des dänischen Regisseurs Simon Lereng Wilmont. Es war der Blick auf eine Kindheit an der Kriegsfront in der Ostukraine 2014, auf ein Jahr im Leben eines Zehnjährigen. »The Distant Barking of Dogs«, so der Originaltitel, wurde auf Festivals weltweit gezeigt und ausgezeichnet.
Simon Lereng Wilmont ist dem Land und dem Schicksal ukrainischer Kinder verbunden geblieben: »A House Made of Splinters« zeigt seine mehrjährigen Beobachtungen des Lebens in einem Kinderheim in Lyssytschansk, gelegen im schon seit 2014 in Teilen von den russischen Besatzern kontrollierten Oblast Luhansk. Das Heim bietet Kindern aus zerrütteten Familien vorübergehend Zuflucht und Geborgenheit. Gedreht wurde 2019/20, inzwischen ist das Heim evakuiert.
Die Mitglieder der Dänischen Filmakademie haben »A House Made of Splinters« gerade als ›Besten Dokumentarfilm‹ ausgezeichnet, zuvor war der Film nominiert für den Europäischen Filmpreis und aktuell für den Academy Award® (Oscar) in der Kategorie »Best Documentary Feature Film«. Am 12. März wird der Oscar vergeben.
Das Programm der SchulKinoWochen 2023 wäre unvollständig und undenkbar ohne Beiträge des ukrainischen Filmschaffens.
In einer von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) kuratierten Sonderreihe werden drei in Inhalt und Form sehr unterschiedliche Filme präsentiert.
»Stop – Zemlia«, eben erst in den deutschen Kinos gestartet, wird von der Kritik als hinreißendes Jugenddrama gerühmt, als »einer der stärksten Filme der Berlinale von 2021«, wie von Knut Elstermann zu hören war. Rüdiger Suchsland lobt auf artechock: »Dies ist kein üblicher Coming-of-Age-Film. Es ist ein lässiger, leichter Film. Ein Film, der bezaubert und bezaubern will.« Simon Rayß schreibt im »Tagesspiegel«, der Film fühle sich an, »als blicke man durch ein geöffnetes Fenster in den Alltag von ganz normalen Jugendlichen. Es ist eine historische Momentaufnahme aus einem Land, in dem nichts mehr normal ist«. Kateryna Gornostai habe »einfach einen der schönsten Filme über das Jungsein gemacht, den es im Kino gibt«, freut sich Bert Rebhandl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Wir freuen uns, dass wir diesen Film im Programm haben – und empfehlen ihn sehr (ab 9. Klasse).
»The Earth Is Blue as an Orange«, dieser Filmtitel ist reine Poesie: Er ist einem Gedicht Paul Eluards entnommen. Poesie entdecken wir an vielen Stellen dieses ›dokumentarischen Spielfilms‹ über die Kraft der Kunst und des Kinos. Die Schwestern Myroslava und Anastasiia Trofymchuk haben ein »Yellow Bus«-Camp besucht und dort die Filmemacherin Iryna Tsilyk getroffen, die nach 2014 für Jugendliche an der Kriegsfront der Ostukraine Film-Workshops gab. Das Medium Film hat sie begeistert, und nun drehen sie ihren eigenen Film: Der soll zeigen, wie sie nach 2014 in Krasnohorivka den Krieg erlebten. Wir sehen, wie ihr Film entsteht, und wir blicken zugleich auf ihr Leben – auf ihren Alltag und ihre Feste, auf ihre Normalität und ihren Ausnahmezustand inmitten des Krieges.
Die Liste, die die Festivalteilnahmen weltweit und die Preise für »The Earth Is Blue as an Orange« aufführt, ist ellenlang. Starke Empfehlungen!
»This Rain Will Never Stop« (empf. ab 11. Klasse) ist ein Antikriegsfilm von stiller Wucht, in ästhetisch überzeugenden Schwarz-Weiß-Bildern. Kämpfe und Kriege sind nicht zu sehen, aber ihre seelischen Wunden und Folgen stets zu spüren, in der Ukraine und anderswo. »Held« ist der 20-jährige Andriy. Seine Mutter ist Ukrainerin, der Vater Kurde. 2012 flüchtete die Familie aus Syrien nach Europa. Ein Teil von ihnen kam ins ukrainische Lysychansk. Als 2014 Separatisten Gebiete im Donbass okkupierten und gewalttätige Ausschreitungen folgten, wurden die Suleymans vom Krieg wieder eingeholt. Jetzt will Andriy zurück nach Syrien, den Vater besuchen. Obwohl er die Papiere dafür hat, kommt er nicht über die Grenze: Vom vielen Regen ist die Brücke überschwemmt.
Die unabhängige internationale Medienplattform openDemocracy (London) empfiehlt übrigens fünf ukrainische Filme, die vor der Invasion Russlands entstanden sind und die man gesehen haben muss. »Stop – Zemlia« und »The Earth Is Blue as an Orange« sind zwei ihrer Empfehlungen.
https://www.opendemocracy.net/en/odr/ukrainian-films-essential-five-documentary-feature/